Donnerstag, 15. Juli 2010

Und es folgten weitere tolle Erlebnisse. Die Osterfeiertage verbrachte ich beispielsweise in POPAYAN, eine Stadt suedlich von Cali. In dessen prunkvollen Altstadt bestehend aus strahlend weiss verputzen Gebaeuden im spanischen Kolonialstil sollten die festlichsten und ueber die Landesgrenzen Kolumbiens beruehmten Osterumzuege stattfinden. Wahrhaftig waren die praechtigen, feierlichen Umzuege ein wunderbares Erlebniss, der angekuendigte „Massentourismus“ hiehlt sich auch in Grenzen. Zu einem der Hoehepunkte dieser Reise zaehlt mit Sicherheit das Erlebniss, einmal selbst einen dieser „Pasos“, auf denen durch Bild und Skulpturen die Ostergeschichte erzaehlt wird, tragen zu duerfen. Jedoch lediglich aus der Kirche zum Startpunkt der Prozession.




Einen dieser „Pasos“ waehrend der Prozession tragen zu duerfen ist mit grosser Ehre verbunden und geht aus langer Familientradition hervor (einflussreiche Familien besitzten die Pasos und das seit hunderten von Jahren). Trotzdem war es uns als „Zutraeger“ ebenfalls eine grosse Ehre. Die Gestelle haben ein Gewicht von 300-500 kg. Das bekommen die acht Traeger auch zu spueren. Ich jedenfalls war nach ein paar Blocks und etwa 15 Minuten (ich weiss die Zeit nicht mehr genau, habe mich eigentlich nur noch auf die Schmerzen konzentriert und mit mir selber gekaempftJ...) fix und fertig und habe noch Tage danach meine Schulter gespuert. Ein sehr befreiendes aber auch ehrfuerchtiges Gefuehl, die offiziellen Traeger im Anschluss 3-4 Stunden am Stueck tragen zu sehen.

Mehr Bilder zu den feierlichen Prozessionen sowie Erzaehlungen zu dem Aufenthalt gibt es zu einem anderen Zeitpunkt in einem extra Eintrag.

In diesem Beitrag geht es, obwohl man es nicht wirklich merkt, immer noch um eine Art Resumme... auch wenn ich bis jetzt nicht in der Lage war es konkret in Worte zu fassen.

Jedenfalls war ich grade dabei von weiteren verschiedenen tollen Erlebnissen zu sprechen. Neben der Fahrt nach Popayan, vor der ich sogar noch 3 Tage Aufenthalt in Cali hatte und mit Lars (einem weiteren Freiwilligen) in den Regenwald nahe der pazifischen Kueste an einen bezaubernden Urwaldfluss fuhr (mehr dazu ebenfalls in einem extra Beitrag) war es eine Zeit in der mir mein Aufenthalt wohl am meisten Spass machte beziehungsweise am „einfachsten“ viel. Dies lag an der Erinneung an die bisherigen Reisen und unglaublichen Erlebnissen (niemals hatte ich mir vorher in Deutschland ertraeumt durch den Amazonas zu wandern oder in der Karibik unter Palmen zu liegen oder zu surfen) jedoch am meisten an meiner Arbeit. Immerhin ist die Arbeit in meinem Projekt der Hauptgrund warum ich hier bin. Es gab schon ganz von Beginn an viele Probleme. Ich berichtete von der grossen Unterstuetzung und Interesse der Frauen aus dem Viertel an der Arbeit auf dem Feld und der darauffolgenden eintreffenden Lustlosigkeit. Nach und nach verliessen sie mich und am Ende stand ich alleine da, lediglich eine aeltere Frau (Emma) aus dem Armenviertel begleitete mich weiter und ist bis zum Schluss regelmaessig dabei gewesen mich beim Bewaessern, Anpflanzen und Pflegen der Pflanzen zu unterstuetzen. Sie ist die einzige, die einen Nutzen aus der freiwillen Arbeit gezogen hat und nicht schon vorher aufgegeben hat. Sie sagte mir eines Tages: „Weisst du Julian, ich komme gerne auf das Feld um hier zu helfen. Es ist besser zu saeen und zu sehen wie die Pflanzen gedeien, als staendig die traurigen und wuetenden Gesichter zu Hause.“
Diese Einstellung beziehungsweise die Erkenntnis haette ich mir gerne auch von den Obdachlosen gewuenscht, fuer die das Projekt ja schliesslich auch gedacht war, doch dazu kam es leider nie.

Auf jeden Fall teilte ich mir mit Emma eine Arbeit und auch eine Einstellung. Auch wenn ich mit ganz anderen Problemen zu tun hatte, war das Feld fuer mich wie eine Befreiung.

Wie schon berichtet (?) fuehlte ich mich bei meiner Gastfamilie nicht wirklich wohl. Ich habe zwar gelernt mit der Situation umzugehen, trotzdem belastete es mich permanent. Ich konnte kaum etwas machen ohne zu wissen, dass es meiner Gastmutter auf irgendeine Weise nicht passte. Angefangen mit den Freunden, die „schlechte Menschen“ seien, weil sie aus armen Verhaeltnissen kommen, Wandertouren („...da ist die Guerilla...“) oder einfach nur irgendwelche Untermehnungen in der Stadt mit/bei Freunden. Dadurch dass ich alles daran gesetzt habe die wenigen Freunde die ich zu Beginn hatte und bei denn ich mir sicher sein konnte, dass es keine „schlechten Menschen“ waren und keine Gefahr ausging, weiterhin zu treffen (indem ich mit vielen Leuten von AFS sprach und oefter mit meiner Gastmutter diskutierte) war unser Verhaeltniss schon frueh beschaedigt. In ihren Augen ist man sturkoepfig und will nicht hoeren, wenn man diskutiert oder allein nachfragt, WARUM etwas so ist wie es gesagt wird. Es hatte einfach keinen Zeck mit ihr zu reden. Da ich also irgendwo ihre Authoritaet untergrub indem ich mir Unterstutzung bei den anderen Frauen holte, wurde die Beziehung schlechter, jedenfalls nicht mehr oberflaechlich freundlich, was auch was Gutes hatte. Dennoch hat es mich bedrueckt, bis heute. Es ist ein Zustand in dem ich im Prinzip alles machen kann was ich moechte (eigenverantwortlich), meine Gastmutter mich jedoch spueren laesst, das sie mit sogut wie nichts einverstanden ist. Dass ich ihr Bescheid gebe ist reine Formsache und es belastet mich jedesmal aufs Neue. Ich merke deutlich, dass ihr es nicht gefaellt was ich ankuendigt. Als Antwort kommt dann nur noch „Du musst es ja wissen“ , „Weiss Julia von AFS davon“ oder „Was soll ich sagen, du machst doch eh was du willst“ oder einfach gar keine richtige Antwort, grade bei Dingen die sogar fuer SIE niemals als gefaherlich eingestuft wuerden und denen sie eigentlich (in einem „guten“, oberflaechlichen(?) Verhaeltniss) zugestimmt haette, wie beispielsweise Kino... Es war also so, dass ich auch nicht mehr wirklich fragen konnte, ob jetzt wirklich eine Situation gefaherlich sei, da ich ja fuer nichts „ihren Segen“ bekam. Auch wenn ich das meiste, was ich wollte gemacht habe, fuehlte ich mich dennoch bei allem ungut. Egal, was ich machte, ich wusste, dass sie nicht einverstanden war. Es haette mir auch egal sein koennen, doch immerhin hat sie mich fuer ein Jahr bei sich aufgenommen und bietet mir rein materiell (grosses Haus, eigenes Zimmer, gewaschene Waesche, gutes Essen, ...) sehr viel. Auch wenn ich mich immer wieder frage, warum sie mich aufgenommen hat, wo doch so wenig Interesse an mich und meine Kultur/meine Heimat besteht und wir auch keine Familienunternehmungen miteinander teilen...
Es ist mir jedenfalls nicht egal, was sie denkt und fuehle staendig eine gewisse Verpflichtung mich gut aufzufuehren und ihr nicht so viele „Sorgen“ zu bereiten. Folglich fuehle ich mich bei allem was ich mache nicht hundertprozentig gut.

Meine Freiheit ist eingeschraenkt!

Jedoch gibt es eine Ausnahme. Meine Arbeit. Das Feld war der einzige Ort, an dem ich mich gewissermassen frei fuehlen konnte. Wenn ich sagte: Ich geh zur Arbei, dann wusste ich, es war ok. Es musste ok sein, denn grade fuer meine Gastmutter, als konservative Witwe, Arbeitgeber von mehreren Angestellten und knallharte Geschaeftsfrau im Rinder-Business hatte Arbeit und Tuechtigkeit einen sehr hohen Stellenwert.
Auch wenn sie am Anfang sagte, es sei ein gefaerlicher Ort und ich sollte mich dort nicht aufhalten wenn es dunkel ist, hatte ich fuer meine Arbeit ihren „Segen“. (Definitiv ist es ein sehr armes Viertel und an dieser Stelle zudem noch unbewohnt. Ich habe wirklich Glueck, das mir persoenlich dort nichts passiert ist. Spaeter mehr zum Thema Sicherheit).

Dadurch, dass niemand mehr zum Feld zurueckkam um zu helfen war ich auf mich alleine gestellt. Ich war mein eigener Chef. Ich konnte machen was ich will. Wenn ich nichts gemacht habe, dann ist auch nichts passiert und so musste ich mich selber organisieren. Ich entschied was angepflanzt wird, wo welche Beete entstehen, spannte schattenspendende Netze, errichtete Bambuskonstruktionen, erstattete immer wieder Bericht in den woechentlichen Besprechungen, lieferte die Ernte in der Kueche des Obdachlosenheims ab, kuemmerte mich um eine grosszuegige Geldspende eines Pfarrers und erledigte damit einen grossen Einkauf neuer Geraete und Materialien, woduch viel Zeit eingespart wurde und die Arbei noch mehr Spass machte. Ich konnte beispielsweise ab jetzt mit einem Schlauch giessen (was fuer ein technischer Fortschritt, ich fuehlte mich wie in der industriellen Revolution;)), hatte eine neue grosse Schubkarre, mehr Schattennetze und Bambus und Pastikfolie um tragbare Hochbeete zu bauen. Fuer das Obdachlosenheim, fuer ein Altersheim und fuer eine Frau zu Hause. Des Weiteren kuemmerte ich mich um eine neue Lieferung Erde. Dazu war ich im Rathaus und bekam einen Lader von der Stadt gestellt, samt Fahrer. Mit einem Freund hatte ich einen Ort ausfindig gemacht in dem gute Erde abgetragen werden konnte. Wir fuhren dorthin und luden den Lader mit Schaufeln(!) voll mit guter schwarzen Erde.
Mit der neuen Erde konnte ich viele Plastikbeutel befuellen in denen ich beispielsweise Palmen saete oder kleine Aeste die ich vom Schnittabfall in diversen Gaerten bekannter Leute sammelte. Einfach den frischen Ast in die Erde pflanzen und so spriessen nach ein paar Tagen neue frische Blaettchen. So werden nun auf dem Feld kleine Limonenbaeume und diverse Zierpflanzen gezuechtet.

Insgesamt lief die Arbeit sehr gut, es gab IMMER etwas zu tun, auch viele Probleme, beispielsweise mit Wasserrohrbruechen und hohen Wasserrechnungen, doch die probleme wurden geloest und es machte mir unglaublich Spass. Ich investierte sehr viel Zeit in das Projekt, bei der Arbeit war ich frei und es war wunderbar zu sehen wie alles gedeiht.

Mit dem Beginn der Regenzeit jedoch ging es bergab.

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