Sonntag, 20. Dezember 2009

Auf der Suche nach dem Paradies

Amazonas!!

...doch dieser Artikel ist noch nicht fertig. Deshalb breche ich die Chronologie jetzt einmal auf und veroeffentliche Zunaechst den Bericht ueber unsere Reise in die Karibik>



Am letzten Freitag, machten wir, drei weitere Freiwillige (Eric, Lars und Lilian) und ich, uns auf den Weg nach Santa Marta, eine kolumbianische Kuestenstadt am Karibischen Meer. In unseren Koepfen schwebten Bilder, die wir nur aus Werbungen oder Filmen kannten. Palmen, weisser Sand, tuerkises Meer eine leichte Brise... was hatten wir uns vorzustellen? Die Erwartungen waren gross. Leider landeten wir bei Dunkelheit. Es hiess also warten bis zum Morgen. Unser Ferienhaus machte jedoch schonmal einen sehr schoenen Eindruck.



Am morgen bot sich dann ein erstes – etwas enttaeuschendes – Bild: leicht erhoeht von unserer Terasse schauten wir herunter auf den Kuestenstreifen vorbei an 2 grossen Hotelkloetzen. Draussen auf dem Meer lagen einige Tanker und Containerschiffe, die vor einem nahegelegenen Hafen ankerten. Mit der Hecke unseres Vorgartens hoerte unser kleines Idyll also schon auf. Inmitten eines sehr verarmten Dorfes lag unser Haus einsam in einem Grundstueck, dass fuer wesentlich mehr Haeuser gedacht war, jedoch mittlerweile einer Wuestenlandschaft aehnelte.
Die Hitze war enorm und nur durch den Wind zu ertragen. Wir machten uns auf zu dem Strandstueck auf Hoehe unseres Hauses. Kaum angelangt wurden wir schon ueberfallen von Haendlern, Verkaeufern und Vermieterb irgendwelcher Attraktionen. Noch bevor wir uns niederliessen waren wir schon genervt und ausserst frustriert von dem recht schmutzigen streifen Strand. Hinter uns Hotels, vor uns die Tanker auf dem Meer und mit uns die staendige Angst bestohlen zu werden. Wir badeten also kurz und fluechteten schnell wieder in unser Haus in dem wir dann noch nicht einmal von dem Angestellten in Ruhe gelassen wurden, der uns auf der einen Seite versicherte, dass es hier nicht gefaehrlich sei, auf der anderen Seite jedoch darauf bestand im Garten in einer Haengematte zu uebernachten um auf uns aufzupassen.
Doch die Situation sollte sich verbessern... am naechsten Tag fuhren wir einige Zeit mit dem Bus und durften an einem anderem Strandstueck etwas mehr Ruhe und einen schoenen Tag erleben.

(Die dunstige Luft ensteht uebrigens durch die Brandung und dem vom Meer kommenden Wind. Auch wenn es zusaetzlich auch bewoelkt war, war es trotzdem warm genug.)

Nicht unseren (traeumerischen) Vorstellungen entsprechend, aber einigermassen zufriedenstellend. Wir hatten ja immer noch unser Ferienhaus als Rueckzugsort, in dem wir uns wirklich entspannen konnten. Nachdem wir auch den Angestellten dazu ueberredet hatten zuHause zu schlafen und ihm versichert hatten, dass wir alleine klarkommen hatten wir entgueltig unsere Ruhe. Wir genossen die persoenliche Freiheit die wir alle in den letzten vier Monaten mehr oder weniger stark einbuessen mussten. Selbst zu entscheiden wie lange man schlaeft, was man, wann man und wieviel man isst, welche Musik man hoert oder besser noch einfach mal KEINE Musik zu hoeren, das war sehr viel wert und bedeutete fuer alle ware Entspannung und Urlaub.





Blieb noch die Suche nach dem "Paradies"...

Aus diesem Grunde beschlossen wir in den nahegelegenen Nationalpark „Tairona“ zu fahren. In diesem liegt die Sierra Nevada de Santa Marta mit Gipfeln bis zu 5770 Metern. Dieses groesste Kuestengebirge der Erde bietet je nach Hoehe 9 verschiedene Klimazonen, vom tropischen Regenwald bis zu schneebedeckten Gipfeln.
In dem Bus dorthin trafen wir einen Kanadier, der eine Surfschule ganz in der Naehe betreibt. Wir folgten ihm um uns diesen Ort einmal anzuschauen.Was uns erwartete war (wie):

Das Paradies.


Wir befanden uns inmitten einer Kokusnussplantage. Ein kleines Restaurant, Holztische, ein paar mit Palmenwedeln bedeckte Huetten und lediglich eine Handvoll Rucksackreisender aus verschiedenen Laendern dieser Welt. Ansonsten Sandstrand und eine schaeumende Brandung. Freundlich wurden wir von dem Besitzer sowie dem zweiten Surflehrer (ebenfalls ein Aussteiger aus Kanada mitte 20) begruesst. Wir entschlossen uns, die kommenden zwei Naechte hier zu verbringen. Dies war zudem auch ausgesprochen guenstig. Fuer etwa 4 Euro (pro Person und Nacht) wurde uns eine Haengematte gegeben und wir konnten uns einen Ort suchen um diese zwischen Palmen zu spannen.
Auch das Essen (2-4 Euro) war in dem Restaurant sehr preiswert. Wir sparten sogar noch den Eintritt, den uns der Nationalpark gekostet haette. Somit entschlossen wir uns, den restlichen halben Tag an einen Surfkurs zu machen.

Nach ein paar Voruebungen ging es dann auch schon raus in die Wellen, welche wir wohl alle unterschaetzt hatten. Einmal falsch in eine grosse Welle geraten wurde man von den maechtigen Wassermassen einige Sekunden so heftig ueber und unter Wasser umhergewirbelt, dass man nicht mehr wusste wo oben und unten ist. Es war eindrucksvoll wie der Mensch dieser (noch relativ kleinen) Naturgewalt ausgeliefert sein kann. Einige Male schafften wir es dann doch eine Welle zu surfen und auch einige Sekunden zu stehen. Erschoepft aber zufrieden kehrten wir dann bei Sonnenuntergang wieder zurueck und verbrachten die bisher wohl exotischste, idyllischste Nacht im Freien in Haengematten unter Kokosnusspalmen mit dem Rauschen des karibischen Meers, ueber uns das "Kreuz des Suedens":)

Zu diesem Ort weitere Bilder:

Unser Haengematten-Lager

In der Ferne die Auslaeufer der Sierra Nevada

Eine frisch geschlagene Kokusnuss fuer umgerechnet 60 Cent.


unsere Gruppe (v.l.) Lilian, Eric, Lars






Flussmuendung ins Meer. In der Ferne die Sierra Nevada.








Bis zum naechsten Mal, euer Julian!

PS.: Lars, der zusammen mit Eric eine weitere Kuestentour gemacht hat berichtete mir, nachdem sie an einem Strand nahe Cartagena waren, dass das was wir erlebt haben, noch LANGE nicht alles sei... die Suche geht also weiter:)






Donnerstag, 26. November 2009

Wanderung: Umgebung Girardot II

Teil II:



Guillermo, der Freizeitbergfuehrer und Umweltschuetzer. Angenehmer Begleiter.
















Wanderung: Umgebung Girardot I

In der letzten Woche lernte ich einen jungen Mann Namens Guillermo kennen, der in seiner Freizeit Wanderungen unternimmt. Am Sonntag vor zwei Wochen waren wir nicht weit von Girardot (10 Minuten mit dem Motorrad) in den „Bergen“, quasi die Auslaeufer der oestlichen Andenkodillere. Sehr beeindruckend fand ich, dass der (Ur)Wald direkt vor unserer Nase liegt - und ich bis jetzt noch nicht viel davon mitbekommen habe. Folgende Bilder sind dort entstanden:







ein traumhafter Weg durch den Wald





In den Waeldern dieser Erhebungen sind die Fotos entstanden.



Kuhherde. Charakteristisch ist der Buckel und die helle Farbe. Mit solchen Tieren verdient auch meine Gastfamilie ihr Geld.


Die "Nuturrutsche"

Tagesausflug: Bogotá

Es ist zwar „lediglich“ ein Tagesausflug nach Bogota, die Hauptstadt Kolumbiens, doch meiner Ansicht nach durchaus einen Blogeintrag wert.
Der Tag began um 3:30. Ich stand fruehzeitig auf, um mich mit einem guten Freund Namens Juan Camilo, der einen Termin in Bogota hatte am Bus-Terminal zu treffen. Auch wenn es erst 4:30 war wurden wir am Busbahnhof empfangen wie von Marktschreiern. „BOGOTABOGOTABOGOTA, 13mil13milBOGOTA“. Es geht um jeden einzelnen Kunden. Wir liessen uns also auf ein „Angebot“ ein und stiegen in einen schon gut besetzten Bus. Auf unserem Ticket stand eine andere Stadt und der Betrag von 9.000 statt 13.000. Als wir nachfragten, wurden wir jedoch kommentarlos weitergelotst. 4.000 sind also der Steuerhginterziehung oder Korruption zuzuschreiben. Auch gab es keine konkrete Abfahrtszeit. Wir hatten jedoch Gleuck und fuhren gleich nachdem wir eingestiegen waren los. Die Fahrt war herrlich. Ich war froh endlich mal einen „Ausflug“ machen und aus der Stadt und dem Alltag ausbrechen zu koennen. Wir fuhren die enge Bergstrasse in Schlangenlinien hinauf in die oestliche Andenkodillere und sahen zu wie die Sonne hinter den Bergen langsam zum Vorschein kam und die eben noch teifschwarz bewaldete Landschaft erleuchtet und Stueck fuer Stueck in ihrem satten Gruen erscheinen liess. Mit der Nacht liessen wir auch die warme Temperatur hinter uns. In Bogota stiegen wir aus uns es war angenehm frisch. Zum ersten Mal wahrend meines Aufenthaltes brauchte ich meinen Pulli;) Zunaechst besuchten wir die Schwester von Juan mit ihrem wenige Monate altem Baby in ihrer Wohnung, wo wir ein reichhaltiges Fruehstueck bestehend aus Ruehrei mit Reis sowie fritierte Platano (ahnelt Banane) und Cafe. Danach erkundigten wir uns noch einige Adressen und Busverbindungen erklaeren und machten uns auf den Weg; wir hatten noch viel vor. Zuerst versuchten wir zur Deutschen Botschaft zu gelangen. Wir warteten also auf die richtige Buslinie und stiegen ein. Fuer 1200 statt 1000 wie in Girardot:P Die mehrspurige Stadtstrasse war ueberwaeltiend, jedoch ebenso abstossend. Ein Auto ( oder Bus oder LKW) reihte sich an das andere und teilweise hatte die Strasse 8 Spuren. Jeweils 2 mittig, dann eine auf jeder Seite aussen fuer Fahrzeuge, die demnaechst abfahren und ganz aussen eine Trasse nur fuer Linienbusse, Krankenwagen oder Polizei. Es herrschte ein unglaublicher Laermpaegel, von der Kontamination mal ganz abgesehen.
Nach etwa 20 Minuten Fahrt merkten wir, dass sich Juan mit der Adresse verlesen hatte. Es war zwar ungefaegr richtig, do ch ein paar Strassen weiter. An sich nicht schwierig, doch wir waren schliesslich in einer knapp 10 Millionen-Einwohner-Stadt. Das bedeutete, das wir in einen anderen Bus umsteigen und in eine andere Richtung ebenfalls noch einmal eine halbe Stunde fahren mussten. Nachdem uns dann 3 verschiedene Leute 3 verschiedene Wege zum Botschaftsgebaeude erklaert hatten, kamen wir endlich an. Wir wollten lediglich Formulare fuer die Beantragung eines Visums fuer einen Freund besorgen. Dies war gleich in der Eingangshalle gleich hinter der ersten Tuer moeglich, trotzdem befand ich mich in der Bundesrepublik Deutschland, wie ich in goldenen Lettern ueber dem bekannten Adler an der Wand lesen konnte, wenn auch nur fuer ein paar Minuten. Und deutsch hat dort auch niemand gesprochen.
Danach ging es weiter (wieder per komplizierter langwieriger Busfahrt) zu dem Sitz der Krankenviersicherung von Juan. Erst wollte uns der Herr, der versuchte die wartende Menschenmasse in den Griff zu kriegen wieder nach hause schicken, da an diesem Tage zu viel Andrang sei. Ihm war es egal, dass wir mehr als 3 Stunden Anfahrt hatten. Nach einer kompliziert-stupiden Diskussion kamen wir dann doch endlich in den Wartesaal. Die laufenden Nummern waren grade bei 69 angekommen – und wir zogen die 139... wir warteten 10 Nummern=eine halbe Stunde um uns auszurechnen wann wir ungefaehr dran kommen. Wir gingen also in den 3,5 Stunden Wartezeit den Platz Bolivar besichtigen und assen Empanadas. Rechtzeitig zurueck kamen wir dann auch bald dran, ich merkte schon langsam die Muedigkeit in den Knochen sowie in den Augen. Wir waren schon eine ganze Weile auf den Beinen, doch es lag noch viel vor uns.
Wir machten uns auf den Weg zu dem groessten Einkaufszentrum fuer Elektronikartikel in Bogota. Ich wollte mir naemlich einen Laptop kaufen. Die Sache schien jedoch nicht so einfach wie erwartet. Das Einkaufszentrum bestand aus hunderten kleinen Einzelgeschaeften, die alle irgendwo das gleiche (naemlich Laptops und Computer plus Zubehoer) verkauften, aber doch irgendwie alle anders waren und unterschiedliche Preise hatten. Ich als Europaeer, der es gewohnt ist in einem grossen Laden die gesamte Produktpalette vor den Augen zu haben um in Ruhe alle Modelle zu vergleichen war somit etwas ueberfordert. Wir gingen in den einen oder anderen Laden, erkundigten uns ueberall nach dem gleichen doch merkten schnell, dass es keinen Sinn machte in dieser Art und Weise alle Laeden abzusuchen um die Preise und Angebote zu vergleichen. Bei der grossen Anzahl der Laeden auch undenkbar. Zum Glueck hatte ich von Elisabeth aus Girardot einen Kontakt bekommen, bei dem ich mich daraufhin meldete. Es war eine Frau, die eines dieser kleinen Fachgeschaefte besass. Nach einer Weile wurden wir fuendig. Die Freundin von Elisabeth war zwar nicht da, doch man erwartete uns schon freundlichst und kannte unsere Namen. Elisabeth hatte (mal wieder) klasse Vorarbeit geleistet. Und ich musste zugeben, dass es in mancher Hinsicht von Vorteil ist, sich auf die Angebote und Ratschlaege der Einheimischen einzulassen. Ich konnte also ganz genau erklaeren, was ich mir vorstellte und mir wurden verschiedene Modelle unn Preise praestentiert. Ich entschloss mich schliesslich fuer ein Modell, der Berater begleitete mich zum Geldautomaten, ich bekam Rechnung, Garantieschein, Besitzschein und die noetige Software installiert. Alles optimal. Ich war sehr zufrieden. Jetzt hiess es nur noch, den Laptop heil und ohne Raubueberfall nach Hause zu transportieren. Ohne Karton verstaute ich ihn unauffaellig in meinem Rucksack um keine Gefahr zu laufen (kolumbianisch umgangssprachlich: „No dar papaya“). Vorbei an den Markschreiern, die fast schon belastigend vor dem Zentrum illegal „gezogene“ Software jeder Art verkauften, stiegen wir also mal wieder in einen Bus um zu Juans Schwester zu fahren, zu essen und dann den Bus nach Hause zu nehmen. Es war grade 17:00 und ich stellte mir vor, oder besser bildete mir ein, dass wir dann so gegen 9 oder 10 zu Hause sein koennten. Ich machte mir schon etwas Sorgen, nicht um uns aber um die AFS „Verantwortlichen“ die uns geraten haben am besten gegen 7 oder 8 zu Hause zu sein. Der PC-Kauf hat jedoch viel Zeit gekostet und so ging es eben nicht anders.
Leider gerieten wir mitten in den abendlichen Berufsverkehr und brauchten fuer eine Strecke, die normalerweise vielleicht 20 Minuten dauert, sage und schreibe 2 Stunden und 30 Minuten. Ich dachte, es waere ein Witz, als Camilo beim Einsteigen schon ankuendigte, es koennte „schon so 45 Minuten dauern.“ Ich fing schon an mir Sorgen zu machen, dass wir noch spaeter nach Hause kommen wuerden, doch die Situation liess sich nicht aendern. Wir fuhren also eine halbe Ewigkeit in einem kleinen heissen, mit Menschen vollgestopften Bus. Besser gesagt wir fuhren ein Stueck und dann standen wir wieder minutenlang. In nicht enden wollenden Autoschlangen. Viele Lichter, viel Laerm, Hitze und Gestank. Die Fahrt war der Horror. Dazu kam noch, dass ich seir geraumer Zeit ungalublich dringend aug die Toilette musste. Ich konnte also nicht mal die wenigen interessanten und schoenen Moment der irgendwo auch recht eindrucksvollen Stadt geniessen, sondern musste mich auf mich selbst konzentrieren. Juan nam die ganze Sache gelassen und schlief irgendwann auf meiner Schulter ein... regelmaessig weckte ich ihn um nachzufragen, wann wir denn aussteigen muessen. Zum einen, weil ich keine Ahnung hatte wo wir uns befanden, zum anderen, weil ich immer noch nicht glauben konnte, dass wir so lange in diesem Bus sitzten muessten. Irgenwann kamen wir endlich an, jedoch stiegen wir aus reinem Uebereifer zwei Blocks zu frueh aus, die wir dann auch noch laufen mussten. Zunaechst erleichterte ich erst einmal meine Blase (in dieser Gegend in einer dunklen Ecke am „Strassenrand“ (ein Kiesstreifen von etwa 20 Metern Breite, die Strassenbeleuchtung reicht also nicht aus um alles zu erlhellen) gar kein Problem...). Wir befanden uns an einer Art Ausgangsstrasse aus Bogota und ich fuehlte mich wieder, als liefen wir neben einer Autobahn her. Bei seiner Schwester angekommen assen wir schnell noch was und stellten uns dann an die Strasse um den Bus abzufagen. Um zum Terminal zu fahren blieb keine Zeit. Wir warteten, und wartetet,...doch der Bus nach Girardot kam einfach nicht. Ich malte mir schon aus wie das Telephongespraech mit meiner Gastmutter wohl laufen wuerde, wenn ich ihr erzaehlen muesste, dass ich heute Nacht spontan in Bogota uebernachte. Irgendwann, es war schon fast 9, nahmen wir dann einen Bus, der in einen Girirdot nahegelegenen Ort fuhr um unserem Ziel schon einmal naeher zu sein. Total erschoepft schlief ich, meinen Rucksack fest umklammert sofort ein. Jedoch recht zusammengequetscht mit viel zu kurzer Kopfstuetze. In dem Nachbarort angekommen stiegen wir aus um auf den Anschlussbnus zu warten. Sofort bezweifelte ich jedoch, dass der Entschluss HIERHER zu fahren gut war. Wir landeten in einem verschlafenem Nest, in dem kaum mehr Leute auf der Strasse waren. Selbst die wenigen Taxifahrer, die unterwegs waren, hatten keine Lust mehr an diesem Abend die 45 Minuten nach Girardot zu fahren. Wir liessen uns deshalb nur an die Hauptstrasse am Ortsausgang bringen um dort auf den Bus zu warten. Es sollte der letzte sein. Und wieder warteten wir. Meine Gedult war schon beinahe am absoluten Ende und ich wollte einfach nur nach hause. Hier in diesem Ort hatten wir nicht mal ein Moeglichkeit zu schlafen, in Bogota gab es wenigstens noch Juans Schwester. Wir suchten eine Kneipe auf um ein Taxi anzurufen, doch genauso wie wir hatte keiner von den Leuten Minuten auf dem Handy. Mit jedem LKW, den wir aus der Ferne fuer den Bus gehalten haben schwand die Hoffnung. Um 11 sollte der letzte Buc kommen. Alle Hoffnung verloren und total genervt und erschoepf kam dann endlich der Bus, 20 Minuten zu spaet. Er nam uns mit und irgenwann kurz nach 12 war ich endlich zu Hause. Wie ich mich gefreut habe, als ich in meiner vertrauten, in der Nacht ruhenden Wohngegend ankam, klingelte, Amparo mir aufmachte und ich nach einem 21-Stunden-Tag in Bogota mit den unterschiedlichsten Gefuehlszustaeden in mein Bett viel.

Nachwort:
Nach 2 Tagen musste ich mich uebigens mit einem eineinhalb-taegigen Anfall von grippeartigen Zustaenden herumschlagen, inklusive Magen-Darmbeschwerden. Ich telephonierte mit Juan und er hatte genau die gleichen Sympthome. Die Empanadas aus Bogota waren trotzdem lecker...

3 Monate rum: Statements

ZWEISCHNEIDIGKEIT

Eine erlebniss- und erkenntnissreiche Zeit in einer fremden Kultur – jedoch die Abwesenheit von wichtigen „Guetern“ und Werten der heimischen Kultur, vor allem aber von wichtigen Menschen.

Schoen WARM bis heiss, dafuer IMMER warm bis HEISS.

Ohne Ankuendigung bricht meine Fahrradgabel waehrend der Fahrt in zwei Teile. Die neue Gabel plus Reparatur jedoch keine 5 Euro.

Viele Obdachlose die den Drogen zum Opfer fallen, doch wenigstens ein paar wenige, die das Angebot der Fundacion nutzen, uns gruessen, nicht mehr betteln, mit uns reden, an sich glauben und sich bessern.

Lustig verzogene Papageien – die leider puenktlich jeden morgen um 6 anfangen sich lautkreischend Schimpfwoerter an den Kopf zu werfen.

Durch Busfahrten zertruemmerte Knie und ein verbeulter Kopf dank „tief“haengenden Vogelkaefiegen, Strebebalken, Lampen, etc. jedoch durch meine europaeische „Uebergroesse“ in fremden oder unangenehmen Situationen das Gefuehl der (Selbst)Sicherheit.

Deckenventilaren: Unverzichtbar, doch ebenso gefaehrlich...
Keine Farbe, kein Geruch, kein Geschmack: Wasser. Jedoch habe ich es noch nie so geschaetzt wie hier.

Eine ruhige Wohngegend, ruhig aber einsam. Und leere Strassen bedeuten Ueberfallgefahr!
Zu wenig freiwillige Mitarbeit um mit der Arbeit hinterherzukommen – trotzdem ein wunderbares Projekt und mit grossem Einsatz geht es trotzdem vorran.

Ein schoener Fluss, sowie abenteuererlicher Urwald – die jedoch vampiraehnlich Muecken mit sich bringen.

Keine festen Preise (Handeln ist „Pflicht“) und man weiss nie, ob man nicht doch einen ueberteuerten Turi-Preis bezahlt hat. Trotzdem kommt man hier bei fast allem so oder so ueberaus guenstig davon.

Eine Mutter, die mich als ihren Sohn vorstellt – und mich auch so behandelt.


...ein paar Statements, die mir spontan eingefallen sind waehrend ich ueber die vergangenen drei Monate nachdachte und die die Zweischneidigkeit dieser ganzen Unternehmung deutlich machen sollen. Ich sehe alles als wichtige Erfahrung und versuche einen passenden Weg fuer mich zu finden.

Montag, 26. Oktober 2009

An alle Leser

An alle Leser moechte ich an dieser Stelle nochmal meinen Dank aussprechen. Mich freut euer Interesse an den Beschreibungen meinen Erfahrungen. Gerne koennt ihr die Blogadresse an Interessierte weitergeben. Dieses Interesse motiviert mich natuerlich dafuer zu sorgen, dass dieser Blog moeglichst oft aktualisiert wird. Zur Zeit ist dies jedoch etwas schwierig, da ich immernoch kein zuverlaessiges Internet zu Hause habe...
Bei Fragen oder Anmerkungen einfach einen Kommentare schreiben. Es gibt zu allem noch viel mehr zu erzaehlen !J Auf Wunsch schreibe ich also zu einem bestimmten Thema gerne mehr oder erklaere Dinge ausfuehrlicher.
Bis bald!!
PS.: Auf Fotos muesst ihr zunaechst verzichten, da wie schon erwaehnt meine Kamera geklaut wurde (samt den Bildern, die nicht auf dem PC waren und durch den Virus geloescht wurden...) Waehrend der Uebergangszeit bis zur naechsten Digitalkamera (?) schiesse ich mit einer antiken Spiegelreflex, die mir geliehen wurde. Macht aber ganz gute Bilder...

Festival de Turismo

Am „Wochenende" fand das "Festival de Tourismo" statt von Mittwoch bis einschliesslich Montag. Montag war Feiertag. Viele Feiertage, die unter der Woche sind (ausser bei Weihnachten und Ostern und so) werden immer auf den naechsten Montag gelegt, sodass es ein langes Wochende gibt. Das heisst dann "Puente". Ein Teil des Festivals ist die Wahl zur "Reina del Turismo", so eine Art Miss-Wahl. Was ich von den Festivitaeten mitbekommen habe war ein (ziemlich spiessiges) Fruehstueck im Freien mit den "Koeniginnen". Wir sassen also an Tischen auf so einem riesigen edlen Freibadgelaende unter Palmen. Die Koeniginnen kamen eingelaufen, wir haben alle gefruehstueckt, danach sind die Koeniginnen wie bei einer Misswahl/Modenschau nochmal schaugelaufen und haben kuenstlich in die Kameras gelaechelt, danach war das ganze zu Ende. Nicht sehr spektakulaer, es waren auch hauptsaechlich aeltere Leute dort. Meine Mutter hatte mir das Ticket besorgt und es war gleichzeitig auch eine Wohltaetigkeitsveranstaltung.
Am Freitag hatte ich mit einem Wachmann, der neben dem Feld arbeitet und mit dem ich ins Gespraech gekommen war, verabredet um etwas zu trinken. Wir trafen uns auf dem Platz im Stadtzentrum au dem der Grossteil der Veranstaltungen stattfand. Es stand Folkore auf dem Programm. Die Kolumbianer, auch die juengeren sind total begeistert von traditionellen kolumbinaischen Taenze und Musik, die bei uns als „Schlager", „Schnulze" und „Evergreen" abgestempelt wird. Es war aber trotzdem interessant und schoen anzusehen. Es waren unheimlich viele Menschen auf dem Platz. Wir tranken Bier und probierten alle moeglichen Arten von „Comido Rapido" Fastfood. Ueberall wurden Fleischspiesse, gegrillte Maiskolben, frisch gemachte Chips, Wuerstchen, Empanadas (mit Reis-Fleisch-Gemuese gefuellte Maistaschen, fritiert), Eis, Fruchtsaefte und andere Suessigkeiten verkauft. Permanent wird einem gekuehltes Bier und Wasser von privaten Haendlern angeboten die einfach darauf angewiesen sind jede Luecke fuer einen Zusatzverdienst ausnutzen. Spaeter am Abend spielte dann noch eine Band und es gab Feuerwerk. Jedoch „typisch" kolumbianisch nicht alles auf einmal sondern ueber 1 oder 2 Stunden verstreut, sodass das Programm auf der Buehne immer mal wieder unterbrochen werden musste. Auch wurde nichts abgesperrt, die Leute die um den Abschussplatz standen schaetzen schon selber ein, wie weit sie wegstehen mussten. Der eine oder andere Fehlzuender der sich in einer lauten Explosion mit viel Rauch ausserte brachte die Leute schon dazu genuegend Abstand einzuhalten – im eigenene Interesse.
Am Samstag sollte eine grosse „Cabalgata" stattfinden, also eine Art Festumzug bestehend aus Reitern. Etwa 3 Stunden spaeter als erwartet kam dieser Festumzug an unserem Haus vorbei. Ich hatte Mittags geschlafen, wurde dann von Amparo geweckt, schmiss mir irgendetwas ueber, schluepfte in die Schuhe und lief raus. Draussen reiteten unzaehlige Reiter in festlicher Reitergarderobe (Sombrero, Hemd, Poncho, Reiterstiefel, weite Reiterhose,etc.) vorbei, die meisten mit Dosenbier oder gleich mit einer Flasche Rum oder Aguardiente in der Hand, teilweise versteckt in einer diskreten Ledertasche. Es war ein lustiger Anblick. Es wurde Musik gespielt. Mein Bruder und Freunde von ihm nahmen auch an dem Umzug teil. Fuer die Pferde muss der 3-4 stuendige Umzug durch die Stadt in der prallen Mittagssonne sehr anstrengend sein. Immer wieder konnte man beobachten, dass ein Pferd einfach keine Lust mehr hatte/nicht mehr konnte. In dem Fall wurde geduldig auf das Pferd eingeredet, gestreichelt, mit Wasser abgespritzt und mit etwas Dosenbier getraenkt...dann gings weiter. Am Abend habe ich erfahren, dass sogar ein Pferd vor Ueberanstrengung gestorben ist. Auch fuer die Reiter war es nicht unbedingt ein zuckerschlecken. Mein Bruder und seine Freunde klagten am Abend sehr ueber Unterleibsschmerzen:)
Hinter der Reiterschaft foglte eine lange Kette von alten, zu den Seiten offenen Bussen, die gefuellt waren von Touristen. Es war eine Moeglichkeit am Umzug ohne Pferd teilzunehmen. Die Leute sassen auf den Daechern und in den langsam hinter den Pferden fahrenden Bussen und feierten wild. Es war wie Carnelval. Es wurde Alkohol getrunken, getanzt, mit Wasser und Spruehschaum gespritzt. Es war eine permanente Schlacht innerhalb der Busse, zwischen den Bussen untereinander und auch mit den Zuschauern am Strassenrand die sich ebenfalls mit Wasserbehaeltern vorbereitet hatten. Ich kann darueber so detailliert berichten, da naemlich, als dieser Zug vorbei fuhr eine Frau, die auch auf dem Feld arbeitet zu mir kam und mich mit in ihren Bus zog, somit war ich (total ueberrumpelt, so wie ich grade war, direkt nach dem Mittagsschlag mitten im Getuemmel ) dabei. Es war eine lustige Fahrt. Irgendwann fragte mich jemand, ob ich denn wuesste wie ich wieder nach Hause komme. Mir kam die Frage irgendwie unsympatisch vor und ich log das ich das natuerlich wuesste, da ich immer mit dem Fahrrad unterwegs sei. Je laenger wir fuhren, desto unbekannter wurde mir die Gegend jedoch. Es waren Teile des Stadtrandes, die ich wirklich noch nie zuvor gesehen hatte. Der Festzug endete dann irgendwo... Busse Pferde und Motorrader mit lautem Gehupe mischten sich und verteilten sich in alle Richtungen. Ich nahm ein Taxi und fuhr nach diesem kleinen ungeplanten aber doch spassigen Ausflug nach Hause.
Ich schaute nocheinmal bei dem Feld vorbei und machte mich dann auf den Weg zu der „Chefin" des Projektes, die mich zum BBQ eingeladen hatte. Danach, sehr gesaettigt (ich musste alles probieren, es war aber alles auch sehr koestlich) ging ich mit Felipe und ein paar seiner Freunden in eine Bar in der wir den Rest des Abends verbrachten.
Den Sonntag (ich hatte offiziell FREI) genoss ich sehr auf entspannende Art und Weise bis ich mit Tomke ins Zentrum fuhr. Cesar studiert „Internationale Kueche" und hatte uns zu einer Art Kochveranstaltung eingeladen. Wir assen also verschiedene kolumbianische Speisen, tranken Fruchtcocktails und Cafespezialitaeten. Das Ende unseres Heimweges ist ja bekannt...

Raubueberfall

Mein erster (und hoffentlich letzter) Raubueberfall: Tomke, die andere Freiwillige, die im gleichen Projekt arbeitet, und ich waren am Sonntagabend zu Fuss auf dem Weg vom Stadtzentrum nach Hause. Wir waren fast an ihrem Haus angekommen und konnten schon die Leute sehen, die in der Strasse vor ihren Haeusern sassen, keine 100 Meter enfernt.
An einer etwas dunkleren Strassenecke passierte es dann: Ein Motorrad mit zwei dunkel gekleideten Maennern kam ploetzlich wie aus dem nichts von hinten, ueberholte uns und schnitt uns den Weg ab. Einer der Maenner richtete eine Pistole auf uns, mit dem Ruecken zu den Leuten in der Strasse. Es ging alles sehr schnell und ich war ziemlich geschockt,so dass ich einfach keine Kontrolle ueber mich hatte. Blitzschnell haben uns die Maenner abgetastet, mir mein Handy aus der Hosentasche geraubt und mir meine Umhaengetasche abgenommen. Staendig die Waffe auf Kopf und Koerper gerichtet. Ich habe mich weder gewehrt noch geschriehen, auch Tomke nicht, sie hatte sich jedoch etwas gewehrt, als der unbewaffnete Mann ihr das Handy abnehmen wollte. Ich meinte sie soll alles hergeben, da ich nur die Waffe vor Augen hatte. Tomke hat sich geweigert ihr Handy herzugeben und fing an sich zu wehren, bis eine Sirene losging. Einer Nachbarin hatte den Vorfall bemerkt. „Tomke, gib einfach alles hier!" Das war das einzige was ich sagen konnte. Ich hatte enormen Respekt vor der Waffe und habe das Gefuehl gehabt, dass sie jeden Moment auf uns schiessen, als Tomke nicht nachgab. Ich habe mich danach zunaechst schlecht gefuehlt, da ich einfach nichts unternommen habe, doch irgendwann wurde mir klar, dass es das beste war. Ich war sehr veraergert ueber die gestohlenen Sachen, doch man kann nie wissen zu was solche Menschen faehig sind, ob ihnen das Leben oder das Wohlergehen anderer fuer Geld und Wertsachen ueberhaupt etwas Wert ist. Sie haben mir das Handy aus der Tasche und meinen Beutel geklaut. In dem war meine Kamera+Speicherkarte, Kleingeld, die Creditkarte und ca. 100 Euro Bargeld von Anna (wir waren vorher noch am Bankautomaten,w as natuerlich daemlich war…), mein Worterbuch und ein kleines Buch in das ich alle moeglichen Sachen hineinschreibe. Ueber das Buch bin ich glaube ich am traurigsten. Es ist ein grosser individueller Wert. Es befanden sich dort neue Vokalbeln, Eindruecke, Skizzen von Strassenecken mit wichtigen Laeden, Telephonnummern und Adressen, Namen und Erinnerungen. Alles der letzten 2 Wochen (davor hatte ich ein anderes Buch). Auch bin ich frustriert ueber den Verlust von vielen Fotos, vor allem von Bildern der Feldes und der Arbeit, die ich angefangen habe zu sammeln fuer eine Praesentation ueber die Entwicklung des Projekts, die ich am Ende des Jahres vofuehren soll. Trotz allem kann man jetzt kaum mehr was an den Verlusten aendern und ich bin froh, dass wir nicht irgendwie verletzt wurden. „Die materiellen Dinge kann man (meistens) ersetzten, das Leben nicht", das haben uns auch viele Leute danach gesagt.
Erst nach dem das Mottarrad weggefahren war kamen langsam Leute aus der Nachbarschaft zu uns und fragten was passiert war. Es sassen ja sogar waehrend das Ueberfalls Leute vor ihrem Haus, nicht weit enternt, doch keiner begriff, das wir ueberfallen wurden…es war schwer das zu verstehen und mich nervten diese Leute in dem Augenblick einfach nur, die nichts unternommen hatten und jetzt angelaufen kamen um sich (schaulustig) zu erkundigen was den los war.
Leider hatte der Ueberfall auch noch zur Folge, dass meine Mutter und vor allem Felipe zwar zunaechst etwas erschrocken aber beinahe zufrieden erschienen, als ich ihnen davon erzaehlte. Wir waren naemlich wegen der Geschichte mit Cesar immer noch etwas im Konflikt, jedoch unausgesprochen, da es mit keinem von beiden moelgich ist ordentlich zu diskutieren. Ich wusste es genau wie sie auf die Geschichte reagieren wurden und sie haben es tatsaechlich geschafft, dass ich "Angst" davor hatte, es ihnen zu erzaehlen. Ich scheute mich davor nach Hause zu kommen wie ein Junge,der etwas augefressen hat, obwohl ich grade das erste Mal in meinem Leben von einer Waffe bedroht wurde und meine Leben gewissermassen in Gefahr war. Was ich in dem Moment eigentlich gebracuht haette war ein bisschen Mitgefuehl, doch das gab es nicht. Es hiess nur "Weisst du noch, was wir dir immer gesagt haben?" , "Wir haben dich ja gewarnt" , "Und, hattest du deine Trillerpfeife dabei?" und ich sah in selbstgefaellige, rechthaberische Gesichter. Es war grauenhaft. Ich versuchte noch mich dagegen zu wehren und Einspruch zu erheben, doch ihre Meinung war absolut festgefahren. Spaeter wurde einfach nur noch sachlich darueber geredet und andere Ueberfallgeschichten wurden erzaehlt. Wie es mir geht wurde nicht mehr gefragt. Ich ging ins Bett und malte mir aus, was man haette alles machen koennen, was aber auch alles noch haette schlimmeres passieren koennen, waehrend man sich zur Wehr setzt. Mit wirren Gedanken und gemischten Gefuehlen schlief ich ein. Auch am naechsten Tag fuehlte ich mich nicht besser. Es war kein klar zu definierendes Gefuehl und auch kein sehr ausgepraegtes. Es lag wahrscheinlich daran, dass keiner auf mein Gefuehl hier eingegangen ist. Ich hatte unterschwellige Angst und war sehr verwirrt ueber das was passiert ist. "Ich bin ueberfallen worden und mir wurde eine Waffe an den Kopf gehalten!!", dachte ich mir immer wieder panisch, doch im gleichen Moment verschwand dieses Gerfuehl wieder in der Tiefe und wurde verdraengt durch irgendetwas total nuechternes, was meine Mutter mir sagte wie z.B. "musst du heute gar nicht zur Arbeit?" Auch der Aerger darueber , dass meine Mutter jetzt auch noch einen guten Grund hat, mir gewisse Dinge zu verbieten und mich womoeglich "einsperren" koennte aergerte mich, lenkte mich aber gleichzeitig auch irgendwo ab. Trotzdem steckte noch Panik tief in mir drin, ich fuehlte mich unterschwellig sehr mies. Es war ein betaeubendes Gefuehl, ueber das ich mit keinem reden konnte um es evtl loszuwerden.
Man kann jetzt auch nicht sagen, dass man hier jeden Tag Gefahr lauft erschossen zu werden! Normalerweise passiert so etwas sehr selten. Es kamen viele Faktoren zusammen: Es waren grad die Festtage in Girardot (siehe dazu: „Festival de Turismo") fuer die superviele Touristen in die Stadt gekommen sind und mit den supervielen Touristen auch viele Raeuber und Diebe, die tatsaechlich zu Festtagen in verschiedene Staedte fahren, da dort Menschenmassen und unaufmerksmae Touristen mit viel Geld eine einfach Beute darstellen. Ausserdem waren wir mit unserer Statur und Haarfarbe sehr auffaellig und stellten Touristen mit noch mehr Geld dar als die meisten, da (so wird es ja staendig angenommen) aus den Vereinigten Staaten UND wir waren "relative" spaet unterwegs auf einem kleinem Strassenstueck, dass die Bewohner der Viertels, auch wenn es das Reichenviertel ist, stets meiden. Das wussten wir natuerlich nicht und hatten noch nicht den noetigen Blick fuer einsame, gefahrlich Ecken, zumal wir von der Stelle des Ueberfalls schon die Leute vor Tomkes Haus in 100 Meter Entfernung haben sitzten sehen. Da denkt man doch, man ist so gut wie sicher…
Ich lenkte mich also am Vormittag damit ab Gitarre zu ueben und zu zeichnen. Ich hatte mir in den letzten Wochen Bleistifte gekauft, bin aber noch nciht viel dazu gekommen. Ich zeichnete den Revolver, das einzige an das ich mich bildlich errinern konnte. Ich habe kein Bild von den Gesichtern, der Kleidung oder dem Motorrad vor Augen, doch den Revolver konnte ich, obwohl ich eigentlich gar nicht weiss, wie die aussehen, realistisch darstellen.
Irgendwann fuhren wir in so ein Office zur Meldung gestohlener Dinge. Da der Montag jedoch Feiertag war befand sich dort nur wenig Belegschaft. Und dieses geringe Personal hatte alle Haende voll zu tun mit den Opfern der vergangenen Nacht. Es war die letzte Nacht des mehrtaegigen "Festival de Turismo" und es gab mehrere Tote im Strassenverkehr. Mit Alkohol am Steuer nimmt man es naemlich hier ueberhaupt nicht ernst…
Wir fuhren also wieder nach Hause und ich fuehr nach dem Mittagesen zur Arbeit. Das war euch etwas frustrierend, da wir mal wieder keine anderer ausser mir und einer Senora (Emma) da war. Und ich habe die Verantortung aufgetragen gekriegt mich darum zu kuemmern, dass das mit der Gruppenartbeit klappt. Es setzte mich also total unter Druck, dass keiner da war, wofuer ich verantwortlich war, dass ich nicht wusste was wir als naechstes machen, da ich naemlich keine Ahnung habe, wann beispielsweise die Pflanzen umgetopft werden (ich habe zwar Leute, die ich anrufen kann, doch ich es ist schwer das Gaertnerwissen mit seinem schwierigen Vokabular uebers Telephon zu vermitteln) und dass ich mich komplett neu organisieren muss, da ich keine einzige Telephonnummer mehr habe. Ich konnte also auch der Senora Emma nicht sagen, was wir machen koennen, was sie jedoch von mir erwartete… auch beschweren sich die anderen, wenn sie kommen, dass sie so gut wie alleine sind und das die Organisation schlecht ist und das das Projekt den Bach runter geht und so weiter und so fort… aber am Samstag werden wir uns alle treffen und das ganze besprechen, ich hoffe danach lauft der Laden etwas besser.

Fleischtaxi

Eine recht komische Erfahrung machten wir kuerzlich als wir vor einer Baeckerei sassen. Ein Taxi fuhr vor und neben dem Taxifahrer stiegen zwei Maenner in weissen, voellig blutverschmierten Klamotten aus. Ein kurzer Schreck, dann war es jedoch klar - neben der Baeckerei war eine Schlachterei. Doch das war noch nicht alles und wir bekamen doch noch einen Grund uns sehr zu wundern. Der Taxifahrer oeffnete den Kofferaum und die beiden Maenner trugen nach und nach in grossen Teilen eine ganze frisch geschlachtete Kuh aus dem Kofferaum in ihren Laden. Das Fleisch lag samt Knochen einfach so in dem Auto. Das einzige was fehlte war der Kopf, ansonsten haette man das Tier wie ein Puzzel wieder zusammensetzten koennen. Als die Maenner fertig fahren, nahm der Taxifahrer ausdruckslos die Matte des Kofferaum und kippt das sich angesammelte Blut auf die Strasse und fuhr davon, zum naechsten Kunden. Ich fragte mich, was so ein Transport mit dem Taxi wohl extra kosten wuerde. Fuer uns war es einfach alles andere als gewoehnlich und eine lustig-kuriose Erfahrung.

Klischee-Kolumbien

Am letzten Wochenende habe ich den Bruder von der Freundin meines Gastbruders kennengelernt. Er arbeitet fuer das Militaer in Kolumbien und hatte grade Urlaub. Seine Arbeit ist genau das, wofuer Kolumbien „bekannt-beruechtigt" ist und was viele Menschen sich unter Kolumbien vorstellen. Er ist Kommandant einer von vielen kleinen Einsatzgruppen die im Urwald zur Bekaempfung der Geruilla eingesetzt werden. Sein Einsatzgebiet liegt nahe der Venezualischen Grenze. 4-5 Monate am Stueck ist er mit seiner 15 koepfigen Gruppe von Wehrdienstleistenden (!) im Urwald unterwegs um Guerilla-Truppen, Koka-Felder und als Farmen verdeckte Chemie-Labors aufzuspueren. Schwer bewaffnet, in Tarnklamotten tragen die Soldaten alles was sie benoetigen in ihrem Rucksack, inklusive Haengematte. Nachts sind sie im Einsatz und streifen durch die Waelder. Am Tag werden die Haengematten aufgespannt und es wird ausgeruht, jedoch mit geladener Waffe, staendig auf der Hut. Nachschub an Nahrungsmitteln, Material gibt es alle paar Wochen per Hubschrauber. Nicht selten kommt es zu gefaehrlichen Schiessereinen mit der Guerilla. Ich habe Videos von Einsaetzen auf seinem Handy gesehen und das Szenario erinnerte an Buergerkrieg, Haueser-und Dschungelkampf. Erst 25 ist der Bruder von Nini, doch hat er die Verantwortung ueber 15 junge Wehrdienstleistende. Erst kuerzlich ist einer von seiner Gruppe waehrend einer Schiesserei ums Leben gekommen. Fuer mich schien die ganze Sache im ersten Moment sehr unrealistisch, grade deshalb weil es eigentlich nur „Vorstellungen, eigentlich Vorurteile" waren, die ich ueber die Situation in den Krisengebieten hatte. Diese Vorurteile wurden jetzt jedoch bestaetigt und es war ein komisches, sehr unangenehmes Gefuehl zu wissen, dass in vielen Gebieten Kolumbiens stets der bewaffnete Konflikt herrscht. Auch das der Bruder, der den Sonntagnachmittag mit uns in Badehose im Pool der Finca genoss in ein paar Tagen wieder im Urwald fuer sein Land und um sein Leben kaempft.

"Ein typisch durchschnittlicher Arbeitstag"

Mein Handywecker klingelt zwischen 6 und 6:30. Oft bin ich schon vorher halb wach. Das ist der Fall, wenn die Papageien vor meiner Zimmertuer ausgesprochen munter sind und schon vor Sonnenaufgang anfangen rumzuschreien und sich gegenseitig spanische Schimpfwoerter an den Kopf zu werfen. (deusche haben sie bis jetzt noch nicht verinnerlicht...) Sollte das nicht er Fall sein reisst mich der Wecker aus einem Schlaf, der oft nicht wirklich tief aber immer sehr „schwer" ist. Aufgrund der Hitze fuehlt man sich wie eine Eidechse im Winterschlaf, nur andersherum. Es dauert eine Weile bis der Kreislauf hochgefahren ist. Ich wanke ins Bad vorbei an den Papageien, die munter fragen „¿Tiene Cacao?" – ich antworte nicht. Im Bad erwartet mich manchmal die eine oder andere „Cucaracha". Die Dusche hat nur einen Hahn, zunaechst etwas verwunderlich, doch aufgrund der Hitze voellig ausreichend. Am Abend wuenscht man sich das Wasser eher noch kaelter! Meistens schlafen meine Mutter und mein Bruder noch, Amparo, die Hausangestellt, die mit uns im Haus schlaeft ist jedoch schon wach. Wir machen gemeinsam Fruehstueck: Ei, Brot (manchmal mit Marmelade), Kaffee (frisch geliefert von Juan Valdez;) ) Waehrend des Fruehstueckes steht auch meine Mutter auf. Es dauert nicht lange bis ihr Handy oder das Fukgeraet klingelt. Das erste Mal von durchschnittlich 30 Mal pro Tag...
Mit dem Fahrrad, saemtliche Schlafloecher mittlerweile routiniert umfahrend, mache ich mich auf dem Weg durch die Stadt zur Arbeit. Die Luft ist morgens noch sehr angenehm, auch sind noch nicht viele Menschen auf der Strasse unterwegs. Waehrend meiner Fahrt merke ich dann, wie das taegliche, quirrlige Treiben der Stadt langsam beginnt. Schueler und Studenten stroemen in ihre Gebauede, an vielen Strassenecken gibt es Kaffee und „Empanadas". Das letzte Stueck meines Weges geht es steil bergab runter zum Rio Magdalena und runter ins Armenviertel. Ich treffe Senora Emma auf dem Feld, sie ist schon weit ueber 70 und hat im letzten Jahr zusammen mit Marco und anderen Frauen das ehemalige Fabrikgelaende aufgeraumt sodass dieses Jahr Pflanzen angelegt werden konnten Ich schmiere mich ein mit Sonnencreme und Mueckenmittel, dann giessen wir die Pflanzen mit im Deckel perforierten Plastikflaschen. Nach etwa einer Stunde begleite ich Emma nach Hause und bringe die Werkzeuge mit der Schubkarre von ihrem Haus (in dem wir das Zeug lagern, damit es nicht geklaut wird) zum Feld (etaw 2 Blocks). Auf dem Weg treffe ich John. Er arbeitet neben unserem Feld fuer einen privaten Sicherheitsdienst und bewacht ein kleines E-Werk. Er ist sehr gespraechig und bringt mir immer wieder neue Woerter bei. Auf dem Feld fange ich dann mit der richtigen Arbeit an. Ich ueberlege mir im Prinzip nicht vorher, was ich machen werde, da es immer etwas zu tun gibt. Die Gartenarbeit besteht aus Unkraut jaeten, saehen, umtopfen, Erde filtern/mischen, Pflanzen stabilisieren und mehr. Handwerkliche Arbeiten waren bis jetzt das bauen von Hochbeeten, einem Abwasserkanal und zwei Leitern, das Errichten von Stuetzpfosten aus Bambus fuer die „Sonnensegel", das Absichern des Gelaendes mit Stacheldrahtzaun oder einfach nur Aufraeumarbeiten. Ich versuche ein bestimmtes Pensum an anstehenden Arbeiten zu schaffen. Manchmal kommen eben auch Teilnehmer des Kurses und helfen mit, bringen Pflanzen, Samen oder andere Materialien. Je nachdem, ob ich noch Besorgungen in der Stadt (vor 12!) machen muss (neue Werkzuege oder Materialien kaufen, Handy aufladen, Internet, Supermarkt,etc.) fahre ich zwischen 11 und 12 nach Hause. Die Hitze ist mittlerweile unertraeglich, folglich fuehrt zuhause der erste Weg zum Kuehlschrank um ein paar glaeser Wasser zu trinken, der zweite fuehrt unter die DuscheJ Gegen 13:00 gibt es Mittagessen. Beispielsweise eine dicke Suppe aus roten Bohnen, danach Reis mit einem Stueck gebratenem Rindfleisch, fritierte Platana (aehnelt banane) und Avocado. Dazu gibt es Jugo (frischer selbstgemachter Fruchtsaft). Bei der Hitze einfach das Groesste!!! Mora, Curuba, Uva, Lulu, Maracuya, Tomate, Guanabana, Guayava, undsoweiterundsofortJ Meistens war Teresa (ab und zu mit Felipe) auf der Finca. Nach dem Essen mache ich manchmal Mittagsschlaf oder ich fahre (seit neuestem) ins Haus der Kultur, mache Musik von 14 bis etwa 15 Uhr und fahre danach weiter zur Arbeit. Die Hitze am Nachmittag ist noch enorm und „peitscht" einem auf der Fahrt wie heisser Wuestenwind ins Gesicht, so dass einem die Augen schmerzen. Ich war zwar noch nie in der Wueste, einen grossen UNTerschied zu dem Klima hier duerfte es allerdings nicht machen.. Viel schafft man nachmittags demnach nicht mehr. Ab halb 5 muessen die Pflanzen wieder gegossen werden, sodass ich vor 6, also vor Anbruch der Dunkelheit, von dem Feld loskomme. Vor dem Raubueberfall war ich teilweise bis 7 oder halb 8 auf dem Feld bzw bei Esperanza zu Hause, doch meiner Mutter ist es zunaechst lieber, dass ich nicht so „spaet" heimkomme. Gegen 7 gibt es Abendessen. Danach habe ich Zeit fuer mich. Entweder falle ich muede ins Bett, hoere Musik oder ich lese, uebe Gitarre, gehe ins Internet (sofern dies moeglich ist), verbringe Zeit mit meiner Familie, schaue fern,... jeden Mittwoch habe ich Gitarrenstunde. Unternehmungen mit Freunden finden dann eher am Wochenende statt. ¡Buenas Noches!
(Auch wenn ich wahrscheinlich viele Detaills vergessen habe – dies ist ein typischer Arbeitstag hier in Girardot, Kolumbien.)

Einige Problemchen...

Lange hat es gedauert und aus dem angekuendigten Monatsrueckblick wird eben jetzt so etwas wie ein Zweimonatsrueckblick. Die lange Wartezeit bis zu diesem Eintrag laesst sich auf den Virus schieben, der den einzigen PC im Haus restlos zerfressen hat. Saemtliche Dateien und installierte Programme wurden geloescht. Die Folgen waren in vielerlei Hinsicht unangenehm. Erstens war meine Mutter tagelang sehr veraergert war wegen persoenlicher Dateien und einiger teurer Programme. Dieser Aerger wirkte sich natuerlich auch auf mich aus, vor allem, da sie wohl vermutete, dass ICH die Viren "aus Deutschland" eingeschleppt habe. Zweitens blieb der PC die naechsten Tage aus, da ein "Ingeneur" kommen sollte, der dann den PC formatieren sollte. Ich glaube meine Familie versteht nicht unbedingt viel von Computern, denn als der "Fachmann" kam wurde er unter anderem darum gebeten Verknuepfungen von Programmen auf dem Desktop zu erstellen… Bis der PC wieder funktionsfaehig war dauerte es jedoch ungefaehr 2 Wochen. Als ich dann das erste Mal ins Internet gehen wollte entdeckte ich 3 Profile. 2 waren mit Passworten gesichert. Das Profil "Invitado" war anscheinend fuer mich gedacht. Ich oeffnete es, konnte jedoch nicht ins Internet gehen. Ich dachte mir nichts dabei, da hier oefter mal das Internet nicht funktioniert, genauso wie mehrmals die Woche der Strom ausfaellt. Als ich meinen Bruder jedoch die naechsten Tage im im Internet surfen gesehen habe, versuchte ich es danach aufs neue – doch das Internet schien fuer mein Profil gesperrt. Irgendwann kam mein Bruder an und oeffnete das mit Passwort gesicherte Profil meiner Mutter mit den Worten: "Sei vorsichtig! Und lade nichts runter! Keine Skype!" Seit dem Raubueberfall (siehe Blogeintrag: "Raubueberfall") behaldelt er mich leider noch mehr wie ein Kind. Ausserdem kann man an diesem Beispiel schon erkennen wie hier mit Problemen umgegangen wird. Es wird (zumindest in meiner Familie) einfach NICHT direkt drueber geredet. Stillschweigend wird ein Passwort eingerichtet was soviel heisst wie: „Lieber Julian, wir sind der Meinung, dass du die Schuld an dem zerstoererischen Virus traegst und sind sehr veraergert ueber den Verlust unserer Daten und teueren Programme. Aus diesem Grund wollen wir nicht, dass du weiterhin unser Internet nutzt!!" Natuerlich wuerde keiner es so dirket formulieren, aber hier wurde einfach GARNICHT darueber geredet.
Zu der Mentalitaet der Menschen, woweit ich sie in den letzten zwei Monaten kennenlernen konnte spaeter mehr.
Ich konnte also endlich ins Internet. Es war schon hoechste Zeit, doch Gelegenheit meinen Blog zu aktualisieren blieb nicht. Auch nach der Reparatur des PCs ging ich oefters auf dem Heimweg von der Arbeit zur Mittagspause in ein Internetcafe, jedoch nur um eMails zu empfangen bzw. Kurze Nachrichten zu schreiben. Fuer lange eMails geschweige den Blogeintraege blieb keine Zeit. (Siehe dazu: "Ein typisch durchschnittlicher Arbeitstag") Auch Abends hatte ich oft keine Chance, da meine Bruder das Internet belegte. Eines Abends hatte ich mit ihm ausgemacht, dass ich das Internet nach ihm nutzen koennte. Er wollte es mit gegen halb 11 geben. (Wie haben so einen USB-Internet-Stick (aber kein W-Lan…)) Ich war von der Arbeit dermassen geschafft, dass ich vor dem Fernseher immer wieder einschlief. Ich legte mich also mit Klamotten in mein Bett und stellte mir meinen Wecker auf halb 11. Als ich dann an der abgeschlossenen Zimmertuer meines Bruders klopfte hoerte ich von drinnen nur lautes Schnarchen… na toll. Ich startete einige Versuche ihn durch klopfen und rufen zu wecken, doch es war zwecklos.
Der Prozess einer eMail von schreiben bis zum Abschicken ist abhaengig von meinem Arbeitspensum, der Geschwindigkeit des Internets in den Cafes bzw. der Geschwindigkeit oder Zuverlaessigkeit meines Bruders, dementsprechend nicht so ganz einfach und muss stets ueber mehrere Tage geplant werden.
Ein weiteres Problemchen stellt zur Zeit die Arbeit dar. "An sich" ist alles prima, doch das reicht nicht. Seit dem Kurs fuer staedtische Landwirtschaft gibt es etwa 20 potentielle freiwillige Helfer. Doch mit der Abreise des Profesors aus Bogota verabschiedete sich auch die Motivation der Leute. Lediglich ein paar wenige kamen regelmaessig auf das Feld um zu helfen. Andere kamen ab und zu vorbei und erkundigten sich, wer den alles so da war. Oft musste ich ihnen jedoch anworten, dass sie die ersten seien worauf die meisten ploetzlich noch "wichtige Termine" hatten und zuegig die Flucht ergriffen. Viele kamen gar nicht mehr. Ich wollte ein Treffen mit allen organisieren, doch da mir mein Handy geklaut wurde, musste ich mir zunaechst alle Nummern organisieren. Dies dauerte weitere zwei Tage, da eine Kontaktperson es nicht geschafft hat mir die Liste zu kopieren. Irgendwann lies ich mir die wichtigsten Nummern per Telephon diktieren und startete eine Art Telephonkette. Am Tag des Treffens kamen 9 der 20 Leute…
Es ist sehr unzufriedenstellend, da ich gewissermassen fuer das Projekt verantwortlich bin. Nachdem Esperanza, die im letzten Jahr die Verantwortung zusammen mit Marco ueber das Feld hatte, jetzt jeden Tag im Hotel arbeiten muss bin ich mehr oder weniger auf mich allein gestellt. Mehr oder weniger, da ich regelmaessig mit der Geldgeberin Ruecksprache halte, doch in Sachen Organisation kann sie mir auch wenig weiterhelfen, da sie gleichzeitig Chefin eines Immobilienbueros ist, ein Altersheim foerdert, im AFS-Kommittee ist und eben auch das "Pflanzgartenprojekt" foerdert. Kurze Anmerkung: Nebenbei ist sie auch die Freundin meiner Mutter. Und sowieso kennen sich einfach alle hier und jeder hat mit jedem etwas zu tun (jedoch nur mit Personen der selben sozialen Schicht!!!). Es gibt unendlich viel Tratsch… egal wo man ist, mit wem und zu welcher Uhrzeit, man wird immer gesehen und es wird alles munter weitererzaehlt…
Es liegt also an mir die Leute zu animieren, was sich als sehr schwierig erweist. Ich will nicht sagen, dass die Leute hier faul sind, aber die Hitze scheint die Menschen in ihrer Aktivitaet schon sehr einzuschraenken. Auch habe ich diese Woche, natuerlich nicht direkt, sondern ueber 3 Ecken gehoert, dass die meisten der Freiwilligen nicht arbeiten wollen, weil sie kein Geld bezahlt bekommen und die Ertraege verkauft warden und der Gewinn ausschliesslich der Fundacion zu Gute kommen sollen. So ganz klar ist das jedoch auch nicht, da sind sich naemlich auch die "Grossen" uneinig. Auch haben wir nocheinmal versucht die Obdachlosen, die regelmaessig das Angebot der Fundacion nutzen zu motivieren auf dem Feld zu arbeiten, doch das hat eine grosse Diskusision ausgeloesst. Kaum einer hat Lust unentgeltlich zu arbeiten. Ist irgendwo auch verstaendlich, doch wir habe uns darauf geeinigt, dass jeder Woechtenlich ein bis zwei Stunden auf dem Feld mithilft, als ein „moralisches Soll", damit waren die meisten zufrieden. Bis der „Stundenplan" organisiert ist, sollen die Obdachlosen die Moeglichkeit haben einfach so auf dem Feld vorbeizuschauen und das Gelaende kennenzulernen. In der letzten Zeit haben mir immer wieder einige der Maenner angekunedigt, dass sie bald kommen wollen, das ist bis jetzt jedoch noch nicht geschehen.
Lediglich einer kam. Das war jedoch ein Reinfall: Ich habe ihm gezeigt, was wir anbauen, er hat sich jedoch nicht wirklich interessiert. Viel mehr hat er sich fuer meine Sachen interessiert. Ich hatte mich lediglich einen kurzen Moment von ihm weggedreht, da hatte er schon seine Hand an meinem Rucksack. Schnell zog er seine Hand weg und blaetterte „unauffaellig" in meiner neben dem Rucksack liegenden Kladde und fragte scheinheilig, ob er ein Blatt haben koennte... ich sagte nichts, machte ihm jedoch klar, dass ich jetzt gehen muesste. Als er verschwunden merkte ich, dass das Vorhaengeschloss fehlte... voellog sinnlos zu rauben, ohne Schluessel, trotzdem Scheisse! Hijo de puta.
Ich verrigelte umstaendlich mit meinem Fahrradschloss und fuhr zu meiner Chefin. Sie lachte ueber den Vorfall. Gewissermassen lachte sie mich aus, da ich mich so leicht hab uebers Ohr hauen lassen. Ich schaemte mich, war aber auch froh, dass es kein Drama war und kaufte ein neues Schloss.
Ich arbeite also jeden Tag auf dem Feld und hoffe, dass jemand vorbeikommt. Viel Zeit darueber nachzudenken, was man an der Organisation aendern kann bleibt mir jedoch auch nciht, da es enorm viel zu tu gibt. (siehe ebenfalls: "Ein typisch durchschnittlicher Arbeitstag")
Das Problem(chen) was mich zurZeit am meisten beschaeftigt bezieht sich jedoch auf meine Freizeit. Ich hatte bereits darueber geschrieben, dass mein Bruder mir komplett verbieten will, dass ich mich mit „Personen, die er nicht kennt" treffe geschweige denn rede (ich habe mir seine Versuche „Verantwortung" ueber jemanden zu nehmen angehoert und mir stillschweigend lediglich meinen Teil gedacht...), meine Mutter ist nicht ganz so radikal, sieht es jedoch acuh nicht gerne. Sie moechte ueber die Menschen Bescheid wissen, mit denen ich mcih treffe um sicherzugehen, dass es keine „schlechten Menschen" sind. Das Problem ist nur, dass ihre Meinung sehr eingefahren und vorurteilsbehaftet ist. Wie mir die Chefin des AFS-Kommittees Girardot erklaerte ist dies eine Sache der Kultur. Wahrend in Deutschland bzw. Europa die meisten Menschen als gleich angessehen werden herrscht hier die Differenzierung der Menschen in soziale Schichten viel extremer vor. Jemand der arm ist, eine „niedere" Arbeit hat, ein „kaputtes" Familienverhaeltnis (und „womoeglich noch eine dunkle Hautfarbe") hat gilt als „gefaerlich". „Ein Dieb, ein Drogenabhaeniger". Das sind Meinungen, die man nicht selten hoert von Menschen im Umfeld meiner Familie, meiner Kontaktperson, dem AFS-Kommitte. Alles Leute der „Oberschicht". Meine Mutter vertritt diese konservertive Meinung sehr stark und laesst sich von ihren Vorurteilen kaum abbringen. Gewiss hat sie ihre Gruende. Vor 20 Jahren wurde ihr Mann von der Guerilla ermordet. Aufgrund der Oeffentlichkeit dieses Blogs verzichte hier ich auf weitere Detaills. Jedenfalls hat sie Gruende eine Abneigung gegenueber einer ganz bestimmten Gruppe von Menschen zu haben, doch diese Abneigung uebertraegt sie auf Menschen, die mit dieser Sache in der heutigen Zeit einfach nichts mehr zu tun haben. Beispielsweise auf alle Menschen, die nicht den Kriterien der Oberschicht entsprechen, so auch Cesar. Er ist der feste Freund von Lea, eine Freiwillige aus Deutschland, die im letzten Jahr hier in Girardot gearbeitet hat. Ich habe ihn nun auch kennengelernt und er erweist sich als sehr netter und aufrichtiger Mensch der eine Art Freund werden koennte. Ich habe noch nichts schlechtes an ihm feststellen koennen. Zwar kommt er aus armen Verhaeltnissen, doch arbeitet er und studiert parallel internationale Kueche. Er ist sehr engangiert und spart Geld um naechsts Jahr nach Deutschland zu reisen um seine Freundin zu besuchen. Er hat mir viel in der Stadt gezeigt und mir erklaert, welche Strassen man zu welcher Uhrzeit meiden sollte. Auch begleitet er mich stets bis nach Hause, kurz: er kuemmert sich sehr. Nach dem Raubueberfall hat er mich besucht um sich zu erkundigen, was denn passiert sei, da ich nicht an mein handy gegangen bin. Er war beinahe sauer, dass wir alleine unterwegs waren und nicht mit ihm. Auch wenn das AFS-Kommitte ihn kennt traut meine Mutter ihm nicht und es ist jedesmal eine sehr schwierige Situation, wenn ich frage, ob ich mich mit ihm treffen kann. Ich weiss genau, dass meiner Mutter es nciht sehr gefaellt. Es ist mir wichtig den Kontakt aufrecht zu erhalten udn zu staerken, doch gleichzietig will ich meine Mutter nicht veraergern. Ich muss erreichen, dass meine Mutter ihm ein bisschen mehr Vertrauen schenkt, gleichzeitig aber darf ich nicht zu viel von ihr verlangen, da sie sehr schnell eingeschnappt ist wenn ich zu fordernd bin. Sie sagt dann zwar (zaehneknirschend) ja, denkt sich ihren Teil, sagt jedoch nicht ihre Meinung sondern laesst es mich durch schlechte Laune fuehlen. Das konnte ich schon erleben und habe daraus gelernt. Es ist Arbeit mit Fingerspitzengefuehl und viel Geduld um verschiedene Kulturen aber auch verschiedene Persoenlichkeiten und Ansichten zusammenzubringen.
Jedenfalls schaffe ich es mich mit Casar zu treffen und habe auch schon einen Freund von ihm kennengelernt. Er heisst Juan Camillo und ist sehr musikbegeistert und hat mich mit ins „Haus der Kulturen" genommen. Dort gibt es jeden Nachmittag die Moeglichkeit Lateinamerikanische Percussion zu lernen. Es stehen dort Instrumente und es ist ein Musiklehrer angestellt. Nachmittags kommen dann Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. „Wer zuerst kommt spielt zuerst" (etwa 20 bis 40 Minuten, je nachdem wie gross der Andrang ist) ist die Devise. Alle durcheinander uebt jeder auf seinem persoenlichen Wissensstand und der Lehrer hilft ueberall weiter. Es ist eine etwas chaotische Angelegenheit, doch keiner muss etwas dafuer zahlen. Man lernt von den anderen und gemeinsam in der Gruppe. Ich versuchen jetzt ein bis zweimal die Woche dort zwischen Mittagessen und der Arbeit am Nachmittag hinzugehen um kolumbianische Rythmen auf dem Schlagzueg zu lernen. Es macht sehr viel Spass und ich habe so die Moeglichkeit weitere Musikbegeisterte (teilweise auch in meinem Alter) kennenzulernen.

Donnerstag, 24. September 2009

“¡Ladrones!”

Am selben Abend, als ich mit meiner Mutter gemuetlich vor dem Fernseher sass, kam plotzlich Felipe wie verrueckt geworden aus seinem Zimmer gesturzt, knallte die Haustuer zu und schrie ¡LADRONES, LADRONES! Meine Mutter sprang auf, halb panisch, halb wuetend, irrte kurz planlos umher, nahm dann das Handy und rief die Polizei, dann griff sie sich einen Knueppel der in einer Zimmerecke bereitstand und stuermte aus dem Haus, ebenfalls rufend. Sie schlug gegen den Metallzaun und schrie die ganze Nachbarschaft zusammen ¡LADRONES! ...als Raueber haette ich definitive schnell die FLucht ergriffen. Innerhalb weniger Minuten waren naemlich aufgrund der menschlichen Sirene namens Teresa saemtliche Nachbarn und die Polizei zur Stelle. Mehrere Beamte liefen mit gezueckter Waffe durchs Haus und liessen zwische Haus und GRundstuecksmauer einen Warnschuss los. Dort, wo Felipe den Einbrech direct vor seinem Fenster ueber die MAuer auf unser Grundstueck hat klettern sehen. Dieser war jedoch wahrscheinlic schon ueber alle Berge und nach etwa einer halben Stunde waren Polizei udn Nachbar wieder verschewunden und der ganze Spuck vorbei. Die ganze Sache war sehr spannend und auch wenn ich erleichtert war, dass die Schrecksekunde vorrueber war habe ich mir noch ein bisschen weiter Angst gemacht, dadurch, dass ich mir eingeredet hatte, das sich noch jemand in dem Haus/in meinem Zimmer versteckt haben koennte. Dem war jedoch nicht so und ich konnte einigermassen gut einschlafen.

“Meschen aus Zucker”

Heute hatte es am Morgen geregnet, sodass mich Esperanza anrief und mir sagte, dass ich “erstmal” nicht zu kommen brauch, dad as Feld unter Wasser stehe. Ich fragte, ob wir nicht in die Stadt gehen und Einkaeufe fuer das Projekt erledigen koennten, doch auch das ging nicht, da es ja regnete…
Es kam mir jedoch auch ganz gelegen, da ich mein Rad zur Reperatur bringen musste. Als ich Bescheid sagte, dass ich gehe, sagte meine Mutter ganz entruestet: “Aber es regent doch!!!” Es schien mir in diesem Moment, als seien die Menschen hier aus Zucker. Aber acuh kein Wunder, mmerhin ist ein bisschen Regen am morgen das absolute schlechteste Wetter, was man hier erleben kann, somit vergleichbar mit einem heftigen Gewitter mit Sturm und Dauerregen bei uns…
Ich kam also nicht drumrum gefahren zu werden.
Dieser Tag hat deshalb noch groessere Bedeutung, da es das erste Mal war, dass ich mich in Bezug auf meine Arbeit nicht sehr bemueht habe. Es war das erste Mal, dass ich etwas faul war und so liess ich, obwohl es schon lange aufgehoert hatte zu regnen und die Sonne wieder brannte, die Zeit vergehen bis zum Mittagessen und bis zum Sprachkurs ohne mich bei Esperanza zu melden. Am Abend rief ich dann an um den naechstne Tag zu besprechen und ich merkte sofort, dass sie mit einen Anruf im laufe des Tage gerechnet hatte und etwas enttauescht zu sein schien, dass ich nciht gearbeitet hatte. Ich aergerte mich ueber mich selber, da es moeglich gewesen waere, gleichzeitig war ich aber auch mit ihrer Reaktion unzufrieden, da ich mich bisher immer sehr angestrengt und viel geschafft habe.
Ich versuchte die Sache jedoch nicht zu Ernst zu nehmen ud wie sich spaeter herausstellte war die Sache schnell vergessen.

“responsabilidad…”

Die letzte Woche war sehr anstrengend, da ich oft nicht wusste wie es mit dem Projekt weitergehen sollte und was genau als naechstes zu tun war. Esperanza fing an, in einem Hotel zu arbeiten und war somit die ersten Tage nie lange zu sprechen und sehr gestresst oder erschoepft. Sie macht die Arbeit auf dem Vivero fuer die Fundacion naemlich auch ehrenamtlich und wird in Zukunft innerhalb der Woche nur noch einige Tage auf dem Feld und die anderen Tage Hotel arbeiten. (Und zusaetzlich noch ihren eigenen Haushalt mit 3 Kindern schmeissen). Auch wenn die Kommunikation in diesen Tagen nicht gut funktionierte gab es trotzdem etwas zu tun, auch wenn nicht klar war, ob es zu der Zeit das richtige war. Zu dieser Unwissenheit kam noch, dass meine Mutter mir verbot einen Jungen zu treffen, der sich mir als der Freund von der weltwaerts-Teilnehmerin des vergangenen Jahres hier in Girardot vorstellte und etwas deutsch lernen wollte. Er kam einfach so auf der Strasse auf mich zu und wir tauschten Handynummern. Ich freute mich, die Moeglichkeit zu haben Kontakte knuepfen zu koennen, vermutlich sogar mit einem gleichaltrigen. Man muss dazu sagen, dass es in Girardot sehr wenige junge Leute zwischen 17 und 25 gibt, da die meisten fuer ihr Studium nach Bogota ziehen. Ich wollte mich also mit “Caesar” treffen, doch als es soweit war sagte meine Mutter es sei zu gefahrlich ud ich muesste zunaechst mit meiner Kontaktperson reden. Ich war etwas missmutig, da wir geplant hatten uns im Zentrum zu treffen, also einem sehr belebten und demnach ungefaehrlichen ort, doch ich verstand auch meine Mutter und sah irgendwo ein, dass sie mehr ueber die Stadt/ das Land/ die Leute weiss als ich es bisher tue. Was ich jedoch nicht akzepierte, war die Meinung meines Bruders, der mir pauschal sagte: “Rede mit niemanden, den ICH nicht kenne!!” Soweit kommt es noch! Als wollte ich nur mit den Leuten zu tun haben, mit denenen sich mein Bruder trifft. Ich werde mir von ihm nichts sagen lassen, von meiner Mutter bis zu einem bestimmten Grad schon, da sie einen Teil der Verantwortung fuer mich traegt und ausserdem gut mit sich redden laesst und mich nicht derartig bevormunden will, wie Felipe es tut, der wahrscheinlich das Gefuehl hat, zum ersten Mal in seinem Leben fuer jemanden Verantwortung uebernehmen zu koennen. Ich lasse ihn jedoch redden und denke mir meinen Teil.
Das Gespraech mit meiner Kontaktperson hat mich, anders als erwartet, zunaechst etwas schockiert. Die ersten Fragen die sie ueber Caesar hatte waren: Wie sieht er aus? Was macht er? Hat er Arbeit? Was fuer Klamotten traegt er? Und (!!!) Welche Hautfarbe hat er? Ich konnte es nicht fassen wie die die ausseren Merkmale bis hin zur Hautfarbe abgecheckt wurden um jemanden als “guten” oder “schlechte” menschen zu identifizieren. Unglaublich!
Zum Glueck war das Resultat des Gespraechs, dass ich mich mit ihm treffen darf, jedoch nur an oeffentlichen Orten (wie schon geplant) und mit Vorsicht. Meine Kontaktperson sagte aber auch, dass sie mir ihre Sohne vorstellen will, die bald zu BEsuch kommen sollten und mein Alter sein. Das klang ein wenig so, als suchte man sich hier seinev Freunde/Bekannte nicht selbst, sie werden einem zugeteilt, am besten aus der gleichen Gesellschaftsschicht…

“Bootsfahrt auf dem Rio Magdalena”

Am folgenden Wochenende hatten wir Besuch von einer Tochter von Teresa, die mit ihrem Mann in Florida lebt. Sie aehnelt meiner Mutter sehr, ist nur noch aufgedrehter. Ihr Mann ist Vizepraesident von irgendeiner wichtigen Einrichtungen fuer die Finanzen von ganz Lateinamerika.
Am Samstag machten wir mit der ganzen Familie eine Fahrt mit einem kleinen Boot auf dem Rio Magdalena. Es war sehr entspannend und gleichzeitig interessant einen Teil Girardots und auch die Landschaft der Umgebung vom Fluss aus betrachten zu koennen. Einige Fischer werfen am Flussufer ihre Netze aus, Einwohner waschen ihre Klamotten oder gehen schwimmen. Gueter werden kaum verschifft. Interessant zu betrachten/erschreckend ist die Stelle an der der Rio Bogota in den Rio Magdalena muendet, da der Rio B. so dreckig ist, dass mehrere Hundert Meter das Wasser des Rio Magdalena auf der einen Flussseite fast Schwarz ist und auf der anderen “normal” sandfarben bevor sich die beiden Gewaesser mischen.
Wir fuehren bis zu einer Insel und machten dann nach mehr als einer Stunde kehrt. Der Bootsfuehrer erlaeterte immer wieder, was am Flussufer zu sehen war. Auf der Rueckfahrt musste ich irgendwann so dringend auf Toilette, dass ich es (mit meiner kleinen Blase) nicht mehr auhalten konnte und fragte, ob wir irgednwo anlgen koennten. Der Bootsfuehrer steuerte das Boot auf eine Sandbank inmitten einer sehr breiten Stelle des Rios. Ich ging also von Bord, versank zunaechst halb im Schlick um dann voellig ungeschuetzt auf der Sandbank zu pinkeln. Im Ruecken meine Familie, die die ganze Angelegenheit sehr lustig fand. Solidarisch musste der Mann meiner “Schwester” auch malJ.Trotzdem habe ich mich sehr nach einem Baum gesehnt.
Den Rest der fahrt konnte ich jetzt wieder sehr geniessen. Nachdem wir angelegt hatten assen wir gemeinsam Fisch, der jedoch (hoffentlich) weiter flussaufwaerts gelebt hat.

Am Abend feierte eine Freundin von Felipe ihren Geburtstag und gleichzeitig ihren Abschied, da sie fuer mehr als ein Jahr nach England zum studieren gehen will. Wir feierten in einer Bar bis frueh morgens und assen danach frisch gemachte “Empanadas”, das sind mit Gemuese udn optional Fleisch gefuellte fritierte Maistaschen, sehr lecker!

“Condomino”

Einen Monat lebe ich nun hier in Girardot, doch bevor ich das erste Mal Bilanz ziehe verde ich ueber die vergangenen Tage berichten.
Wie schon im letzten Eintrag angekuendigt war ich zu Besuch in einem “Condomino”. Wie ich in den letzten Tagen vom Fahrrad aus gesehen habe, gibt es davon einige, was die Geschichte gar nicht mehr so exklusiv macht, trotzdem handelte es sich hier um eine besonders noble Siedlung…
Ergeben hat sich die “Gelegenheit” dadurch, dass ich bei der Praesidentin des AFS-Kommittees Girardot den Wunsch geaussert hatte, landestypische Musik zu machen, am liebsten Perkussion in einer Gruppe. Sie schickte mich in Folge dessen mit einem Bekannten zu dem Menschen in dem Condomino in dessen Haus “Musik gemacht werden wuerde” so hiess es.
Nach dem wir uns beim privaten Sicherheitsdienst ausgewiesen hatten und durchsucht wurden gelangten wir in das von einem hohen Zaun umgebenen Gelaende. Von einer Streife wurden wir zu einer der weissen Villen geleitet, die vereinzelt in der Parkaehnlichen Landschaft standen. Es war schon nachts, ganz schwach konnte ich jedoch die Reflexionen der filigranen Strassenbeleuchtung im (kuenstlichen?) See erkennen um den die Haeusser angeordnet waren. Ein Ende des Gelaendes konnte ich nicht erkennen. In der Ferne erhoben sich die Daecher des belebten Girardot mit seinem so verschiedenen Einwohnern ueber der einsamen, modellaehnlichen Siedlung.
In der Villa erwartete mich ein gebuertiger Argentinier, der sich und meiner Begleitung ersteinmal einen Whiskey zubereitete. Er interessierte sich kaum dafuer, wo ich herkommen und fuehrte uns in den ersten Stock zu seinem Schlafzimmer, welches vollgestopft war von teueren Musikinstrumenten, doch nichts sehr landestypisches. Er besass einen e-Bass, e-Gitarren, Verstaerker und ein e-Schlagzeug auf dem ich spielen sollte. Ausserdem sah ich ein Mischpult, einen riesigen Falchbildschirm und einen Laptop. Es hiess, er machte selber Musik und nimmt diese auch auf, doch selber spielt er keines seiner Instrumente so richtig hat er mir gesagt, als ich ihn fragte.
Auch wenn meine Erwartungen nicht grade erfuellt wurden gab ich mich dankbar und jammte etwas mit meiner Begleitung, die Bass spielte. Der Argentiner surfte dabei im Internet. Bevor wir wieder gingen, erzahlte er einer Begleitung von irgednwelchen Maedchen, die er zu sich nach Hause “eingeladen” hatte fuer was auch immer… er ist geschieden, lebt alleine und besitzt eine Restaurantkette. Es war ingesamt eine kuriose und was den Typen betrifft unsympatische Begegnung. Ich hoffe es ergibt sich noch eine andere Moeglichkeit Musik zu machen.

Mittwoch, 16. September 2009

"calor y color"

Am Donnerstag und Freitag war Streichen angesagt!


Soviel gibt es darueber nicht zu schreiben. Aufgrund der Hitze haben wir abends gestrichen, deshalb sind die Fotos auch nicht optimal belichtet...

Es hat viel Spass gemacht. Am Abend waren wir jedesmal blau;)

Nicht so schoen war, dass die Farbe, die doch etwas agressiv war, etwas in meiner Armbeuge gewuetet hat. Da ich dort sowieso schon eine Stelle hatte, hat sich die Hautpartie noch mehr entzuendet und mein Arm sah ein paar Tage lang nicht sehr schoen aus…doch mittlerweile, nach mehreren Behandlungen meiner sorgsamen Mutter mit heissem Wasser und Cremes ist es schon viel besser! In meinem naechsten Blogeintrag werde ich ueber die Erfahrung mit einem Buerger der absoluten Oberschicht schreiben. Ich war naemlich zu Besuch in einem “Condomino”, einer Art Stadt in der Stadt, die von hohen Zaeunen und privaten Sicherheitskraeften abgeriegelt wird…

"Mit ein paar Samen beginnt es…"

Felipe kam irgendwann am Montag erst wieder. Er hatte tatsaechlich noch eine weitere Nacht auf der Finca verbracht.
Fuer mich begann der Montag mit einem sehr schoenen Ereigniss, da ich zum ersten Mal ueber Skype so richtig mit Jana telephoniert habe!:) Gestaerkt ging ich somit in den Tag.

Es gab viel zu tun, da wir anfangen mussten zu saeen. Wir bereiteten also eine Erdmischung vor und transportierten diese Schubkarrenweise in den Garten von Esperanza, wo wir die Pflanzen gross werden lassen um sie spaeter auf dem Feld einzupflanzen. Wir holten kleine Palmen-Sproesslinge von einem anderen “Vivero” ab und am darauffolgenden Tag begannen wir damit, die Palmen einzutopfen und zu saeen.


Der Sohn sowie der Enkelsohn Esperanzas halfen uns. Es schien mir so, als sei das Arbeiten mit der Erde und den Pflanzen wie spielen in der Sandkiste.





Das Resultat unserer Arbeit sah nach wenigen Tagen schon so aus:

Pepino=Gurke

"Cumpleaños de "Gordito" (--> Dickerchen)"

Am Samstag sollte der Geburtstag meines am Montag 30 werdenden Gastbruders stattfinden. Ich verstand es so, dass Freunde von Felipe und Freunde der Familie auf die Finca/Hacienda zum Mittagessen eingeladen warden sollten. Ein Geburtstag scheint also nicht nur ein Fest fuer das Geburtstagskind zu sein, sondern ein Familienfest bei dem auch viele (erwachsene) Freunde und Bekannte der Familie kommen, mit denen Felipe in diesem Fall beispielsweise gar nicht so viel zu tun hat. Schon um 10 Uhr Vormittags fuhren wir los. Auf der Finca erwarteten uns ein paar Angestellte, die die bereits am Vortag extra fuer diesen Anlass geschlachtete junge Kuh zubereiteten. Das sah ungefaehr so aus:
























Nicht unbedingt ein Anblick fuer Tierliebhaber, fuer Fleischliebhaber aber umso mehr…

Nach und nach kamen diverse Gaeste und es wurde gegessen. Wenn die Nachfrage da war nahm einer der “Koeche” einfach einen Spiess, saebelte das Fleisch in Stuecke welche dann in einer grossen Schale auf den Tischen mit Kartoffeln serviert wurden und sich alle einfach mit der Hand bedienen konnten…recht animalisch, trotzdem lecker. Dazu gab es Cola oder Bier. Soweit ich es mitbekommen habe haben die meisten keine Geschenke dabei gehabt.


























Etwas spaeter gegen Nachmittag kamen viele Freunde von Felipe im Alter zwischen 20 und 30 die sich schon bald mit Bier und Aguardiente (Nationalgetraenk, aehnelt Sambuca) im Pool tummelten. Im laufe des Nachmittags und anbrechenden Abends wurden die erwachsenen Gaeste weniger, der Aguardientekonsum stieg. Ich habe versucht mich soviel wie moeglich mit den Leuten zu unterhalten. Ein Freund von Felipe bot an mit mir in der kommenden Woche einen Sombrero kaufen zu gehen. Es ist schwer sich in der Stadt zu orientieren, wenn man geziehlt etwas sucht, da ist es schon praktischer wenn man Kontakte hat, die einem dann helfen koennen. Ganz egal, was es ist. Ich war deshalb darueber sehr froh, da ansonsten eines Tages mein Kopf bei der Arbeit unter der prallen Sonne wahrscheinlich einfach geplatzt waere:P
Es war sehr grotesk zu erzaehlen, dass ich an einem Programm der deutschen Reigierung zur Entwicklungsfoerderung in Entwicklungs bzw. Schwellenlaendern teilnehme waehrend wir mit Fleisch und kalten Getraenken gefuellten Baeuchen und lauter Musik am Pool sassen und es uns ziemlich gut gehen liessen.
Es herrscht Klassengesellschaft! Ausserdem ist die “Oberschicht” unglaublich misstrauisch gegenueber Menschen, die sie nicht kennen und sehen das Stadtviertel in dem ich arbeite als sehr gefaehrlich an, waehrend die Leute dort ueber diese Aussage wundern, vielleicht sogar angegriffen fuehlen.


Ich hatte ja erwartet, dass die Feier, die ja schon Vormittags begonnen hat, irgendwann in dr Nacht zu Ende gehen wuerde, doch da hatte ich mich getauscht. Irgendwann habe ich mir dann ein Sofa gesucht und versucht zu schlafen…micht unbedingt sehr tief, denn es wurde die ganze Nacht mit lauter Musik durchgefeiert. Einige suchten sich irgendwann einen Platz zum schlafen (die Finca hatte einige Zimmer mit Betten zur Verfuegung), andere feierten durch die Nacht. Um halb 7 konnte ich nicht mehr schlafen, da es schon wieder hell war. Ziemlich muede und verschlafen ging ich nach draussen. Es sass dort mein Bruder, ein paar Freunde vom Vorabend, aber auch noch andere Leute, die ich noch nicht vorher gesehen hatte. Und alle tranken sie weiter Aguadiente. Irgendwann kam dann meine Mutter aus Girardot mit dem Auto und hatte frische Klamotten und Zahnbuerste fuer mich dabei:P. Nach dem Fruehstueck (die Reste Fleisch des Vortags und Kaffee…) wollte ich eigenlich nach Hause. Es dauerte jedoch noch bis nach Mittag, bis wir loskamen. Als ich mit meiner Mutter fuhr kam uns ein Lieferservice entgegen, der Bier und Zigaretten brachte…ja, mein Bruder und seine Freunde, die nach und nach wach wurden gingen wieder in den Pool und tranken weiter. Am Abend des Sonntages war Felipe immer noch nicht zuHause.


Puta Rumba!

Donnerstag, 10. September 2009

"Das Projekt"

¡Hola!
Es ist lange her das ich geschrieben habe dafuer das mittlerweile schon wieder so einiges passiert ist. Ich habe nun eineinhalb Arbeitswochen hinter mir und bin insgesamt sehr zufrieden. Die Arbeit der ersten Woche bestand zunaechst darin, dass wir verstehen sollten, worum es eigenlich geht. Auch wenn das riesige Vokabular der spanischen Sprache oftmals eine grosse Huerde der Verstaendigung darstellte, versuche ich jetzt einmal zu erlaeutern, wie unser Projekt funktionieren soll.
Das Projekt:
Unser "Arbeitgeber" ist die Fundacion Vida Nueva. Dank ihr muss in Girardot kein Obdachloser nachts auf der Strasse schlafen. Jeden Abend kommen etwa 35 Maenner im Alter von 18 bis 80 in die Einrichtung, koennen ihre Klamotten waschen und sich duschen, bekommen etwas zu essen und danach ein Bett zugeteilt. Am morgen nach dem Fruehstueck muessen alle wieder gehen. Es sind jeden Abend im Prinzip die selben Maenner, keinem sieht man jedoch an, dass er auf der Strasse lebt. Die Gruende fuer ihr Schicksal aehneln sich oft: Alkohol, illeg. Drogen,Probleme in der Familie, etc. Die Obdachlosen sind sehr freundlich zu uns, teilweise etwas zurueckhalten, einige jedoch sehr interessiert und redselig. Sie freuen sich mittlerweile schon auf uns oder vermissen uns wenn wir einmal nicht da sind. Zur Zeit haben wir naemlich noch nicht wirklich viel mit ihnen zu tun. Neben dem Obdachlosenheim laufen unter dem Namen der Fundacion nohc zwei weitere Projekte. Zum einen ist das die Baeckerei, in der Tomke Anna arbeitet, zum anderen ist das der Pflanzgarten (proyecto vivero), fuer das ich eingeteilt bin.
Im letzten Jahr hat mein Vorgaenger, auch ein wetwaerts-Teilnehmer ein Feld praepariert, welches nahe das Rio Magadalena im aermeren Stadtgebiet Girardots liegt, umringt von hohen Mauern. In diesem Jahr werden auf diesem Feld allerlei Fruechte und Gemuesesorten angepflanzt und soweit ich es verstanden habe, sollen die Obdachlosen dann auf dem Feld arbeiten. Sie haben somit eine Beschaeftigung, gleichzeitig erhalten sie eine Art Kurs fuer Landwirtschaft und koennten mit dieser "Qualifikation" versuchen Arbeit zu finden. Im Prinzip ist die Idee toll, doch bis dahin ist es noch ein sehr langer Weg.
Esperanza, die Verantwortliche fuer dieses Projekt, lebt selbst in armen Verhaeltnissen. Sie engagiert sich trotzdem ehernamtlich fuer die Fundacion und die Zusammenarbeit mit ihr macht sehr viel Spass. Bevor die Obdachlosen ins Spiel kommen sind es zunaechst Esperanza und ich, die sich um den Aufbau des Projektes kuemmern. Tatkraeftige Unterstuetzung erhalten wir oft von Esperanzas Familie. Sei es die Schwiegermutter oder Mutter, die Kinder oder Enkel. Irgendwer hilft uns immer, vor allem die kleinsten sind stets eifrig dabei. Die erste Woche haben wir damit verbracht Materialien zu organisieren. Da vom Staat kein Geld zur Verfuegung steht muessen wir bei den grossen Supermaerkten der Stadt um Kredite bitten. Es soll dann so funtionieren, dass wir das Geld fuer die Materialien vorgestreckt bekommen, das Projekt entwickeln und die Fruechte dann den Supermaerkten zur Verfuegung stellen, sodass diese durch den Verkauf ihr Geld wieder reinbekommen. Zwischendurch kann dann die Beschaeftigung der Obdachlosen stattfinden.
Es war und IST permanent ein muehsames Geschaeft, da wir oft vertroestet oder versetzt wurden oder Termine mit Leuten die uns unterstuetzen wollten verschoben oder abgesagt wurden. Nach und nach bekommen wir unsere Materialien zusammen. Viele Fussmaersche durch die Stadt, viele Telephonate, viele Gespraeche. Doch in der naechsten Woche sollte endlich die "richtige" Gartenarbeit mit dem Vorhandenen Zeug losgehen koennen.
Doch dazwischen lag noch der Geburtstag meines Gastbruders.
Berichterstattung folgt!

So wuenschen wir uns unsere Papaya natuerlich auch, wie hier in einem Supermarkt in Bogota:)