Donnerstag, 15. Juli 2010

Resumee Ende: "Ohne Projekt...was bleibt?"

Ohne die erfolgreiche Arbeit, die mich immer wieder aufgemuntert hat in meiner Zeit hier, die mir Kraft geschaenkt und mir einen Ort bot in dem ich frei sein konnte, gibt es somit kaum mehr etwas was mich hier haelt.

Das bedeutet nicht, dass ich die Zeit hier nicht missen wuerde. Ich bin sehr froh dieses Jahr hier verbracht zu haben, doch es war anstrengend. Ich habe sehr sehr viel kennengelernt und die vielen Erfahrungen haben mich bereichert und in meiner persoenlichen Entwicklung sicherlich weitergebracht. Doch nun ist es erstmal genug mit neuen Erfahrung, zumindest Erfahrungen dieser Art. Ich bin erschoepft.

Erschoepft von der staendigen Wachsamkeit. Will nicht mehr in jedem das Boese sehen, doch leider wird man hier dazu gezwungen, denn es geht um das eigene Wohl. Dieses Land hat mich Misstrauen gelernt. Es zwingt einen dazu die Menschen zu kategorisieren, die dir begegen. Auftreten, Kleidung, Beschaeftigung, Aesserlichkeiten eben. Du entscheidest oberflaechlich ob gut oder gefaehrlich und so stehst du ihnen dann gegenueber, behaldelst sie dementsprechend oder gehst gar nicht auf sie ein. Ich haette es vorher nie war haben wollen und kann es immer noch nicht glauben. Es ist eine Rechenaufgabe. Jemand hat schmutzige, alte oder kaputte Kleidung an, geht zu Fuss oder faehrt Fahrrad. Jemand mit mehr Geld zieht sich nur in Ausnahmefaellen so an und faehrt sonst auch mit dem Auto oder mindestens Motorrad. Unter 100 reichen Menschen und 100 Armen, wo findet man wohl einen groesseren Anteil derjenigen die bereit waeren, die es noetig haben dich zu beklauen oder auszurauben? Es ist sehr traurig, doch es passiert ganz schnell, dieses Schubladendenken in Bezug auf Aeusserlichkeiten. Zum Selbstschutz.

Alle kennen die Geschichten. Einfacher Taschendiebstahl, Ueberfall oder gar die „Millionaerstour“ in einem gefaelschten Taxi, in dem sich bewaffnete Komplizen zum Taxi-Kollegen gesellen, dich bedrohen und du solange als „normales“ Taxi durch die Stadt faehrst bis du komplett ausgenommen bist, kurze Stops an Geldautomaten beim Mitfuehren einer Geldkarte, ausgesetzt irgendwo mit absolut nichts in den Taschen.

All dies ist in unserer Gruppe von etwa 20 Freiwilligen schon vorgekommen.

Und um vorzubeugen heisst es eben: Gefahr einschaetzen, Leute einschaetzen, bei naeherer Begegnung auf die Haende schauen, Dunkelheit und Einsamkeit meiden, „teures“ Aussehen meiden, keine grossen Scheine, keine Taxis von der Strasse, Taxi-Registrierkarte checken, ggf Tueren, in Bussen nach vorn setzen, nicht allein im Bus sein, auf der Strasse die naechste Tuerklingel im Blick haben, wie sieht das Viertel/die Strasse aus in der ich laufe, darauf gefasst sein angegriffen zu werden, ggf wegzurennen. All dies und noch viel mehr geht einem staendig durch den Kopf und macht einem Sorgen beispielsweise beim blossen Heimweg von einem Freund.

Genauso beim blossen Einkauf (wenn es keine festen Preise gibt): Man muss als „Gringo“ ja schonmal annehmen, dass der erste Preis der genannt wird den „normalen“ Haendleraufschlag PLUS „Touristen“-Aufschlaf beinhaltet, also: Handeln.

Ich traue keinem ersten Preis, im Zweifelsfall kaufe ich nicht und lasse dabei auch manchmal Verkaeufer zurueck die WIRKLICH den „normalen“ Preis und nich mehr verlangt haben und veraergert sind ueber die „reichen Touristen, die denken sie muessten die fuer sie schon billigen Preise noch mehr druecken“ ...

Jedes Mal nach einem erfolgreichen Kauf frage ich mich jedoch: Was haette ein Kolumbianer bezahlt?

Aehnlich beim Busfahren. Dort sind die Preise gluecklicherweise meistens festgelegt. Worum hier gehandelt werden muss sind allerdings die Leistungen. „Superdirketbus“ und am Ende haelt er doch an jedem Ort und nimmt an der Landstrasse Fahrgaeste auf.

„Drei Stunden Fahrtzeit, keine Pause. Los geht es quasi sofort!“ Nach einer halben Stunde geht es los, nach 5 Stunden ist man da...

Man wird angelogen fuer Geld.

Mit diesen Gedanken, Sorgen und Aengsten wird man tagtaeglich konfrontiert, bei Dingen, die woanders (momentan kann ich da nur fuer Deutschland/Europa sprechen) funktionieren, sicher und legal sind oder einfach keine Rolle spielen, sodass man seine Nerven und seine Energie auch nicht unnoetig damit belasten muss.

Grade der Sicherheitsaspekt und die staedige Angst macht einem am meisten zu schaffen. Natuerlich gehe ich auch Risiken ein, sonst kann man ja schliesslich auch nichts erleben. Doch man muss einfach darauf achten „das Risiko zu maximieren und die Freuden zu maximieren“ wie es Lars (in Cali) in seinem Blog recht treffend beschreibt und einen fuer sich passenden Kompromiss finden.

Neben den Sorgen um die Sicherheit habe ich auch einfach genug davon angestarrt zu werden, als waere ich von einem anderen Planeten, dass mir einfach „mono“ Blonder/Blondschopf oder „gringo“ hinterhergerufen wird, genug von BeinUNfreiheit in Reisebussen, bei durchschnittlich drei Stunden Fahrt fuer 100km, genug von staendiger Waffenpraesenz durch Millitaer, Polizei, privater Sicherheitsdienst, Privatpersonen; genug davon, so oft oeffentlich angebettelt zu werden, genug von der Belaestigung nicht nachgebender Verkaeufer, genug von den Bussen, die den Hintermann beim Anfahren in einer schwarzen Wolke aus Abgasen zuruecklassen, genug vom Schwitzen beim Nichtstun und dem Hitzetot beim Arbeiten, genug von Stechmuecken, genug von Fehlalarm im eigenes Haus bei dem dich jedesmal genausogut ein Einbrecher in deinem Zimmer haette ueberraschen koennen, genug von Gringo-Preisen, genug von der permanent erhoehten Lebensgefahr nur weil man mit dem Fahrrad im Strassenverkehr (=Strassenkampf) unterwegs ist, genug von zu vielen Dritte-Reichs-Diskussionen, genug von den Menschen die dich anluegen fuer Geld, genug von angsterfuellten Heimwegen nach 7 Uhr am Abend, genug der staendigen Gefahr durch Raub oder Ueberfaelle an die „weissen, reichen, gringos“, undsoweiterundsofort.

Es kann sehr anstrengend sein!

Die Tatsachen, die wir zwar mitkriegen und die einem Sorgen bereiten, unter denen wir jedoch persoenlich gluecklicherweise NICHT leiden sind wesentlich schlimmer.

Von Stimmkauf bei Wahlen ueber schwere Korruption, Trennung in soziale Klassen (und dementsprechend unterschiedlich gute Bildung, Gesundheitsversorgung, Arbeitsangebot, etc. --> Zukunftsperspektive), Entfuerungen, Anschlaege der FARC, buergerkriegsaehnliche Zustaende zwischen Militaer und Guerilla in den Krisenregionen, „Falsche Positivmeldungen“ (Das Militaer ueberfaellt ein abgelegenes Bergdorf, steckt die ermordeten Bewohner in „FARC“ Uniformen und laesst das ganze als innenpolitischen Erfolg gegen die Guerilla gelten), Auftragskiller (Ein Mord ab 10 Euro), Prostitution (Minderjaehriger), Gewalt, bis hin zur „Sozialen Saeuberung“ in der (verdeckt) die Gruppe von Menschen, die es „nicht wert sei“ ermordet wird. Obdachlose, Diebe, Drogendealer, Abhaengige, Prostituierte,... Immer wieder hoert man von gefundenen Leichen, die jedoch „nicht identifiziert“ werden konnten oder einfach von niemandem vermisst und somit niemandem zugeordnet werden konnten.

Auch wenn es jetzt alles auf einmal einen schrecklichen Eindruck hinterlaesst, muss es gesagt werden. Es waere eine einseitige Berichterstattung diese Seite des Landes auszuklammern. Es muss dazu auch gesagt werden, dass die Situation vor Jahren viel schlimmer aussah und dass sich in den letzten Jahren zum Thema Sicherheit, grade in Bezug auf die Gefahr durch die FARC, vieles enorm gebessert hat!

Selbstverstaendlich werde ich niemals die schoenen Seiten dieses Landes vergessen. Die einzigartige Kultur, die sich in jedem Teil des Landes anhand ihrer eigenen Musik, Tanz, Kunsthandwerk, Dialekt, Vokabular, Essgewohnheiten, etc anders auspraegt. Dazu kommt die Geschichte, die letzten Zeichen und Plaetze der Urvoelker, Indigene Gemeinden oder Bauwerke im praechtigen spansichen Kolonialstil.

Und die sagenhafte Schoenheit dieses Landes. Viele Fotos auf diesem Blog zeigen es, sei es der exotische Urwald, die maechtigen Gebirge, gruen bewachsene Huegellandschaften, praechtige Flusslaeufe, Palmen am weissen Strand der tuerkisblauen karibischen See. Dennoch: Was nuetzt einem ein Paradis, wenn man sich dort nicht sicher fuehlt und entspannen kann?

Es ist sehr schwer so zu urteilen, wahrscheinlich werden mir in Deutschland auch schnell wieder Dinge auffallen, die hier in Kolumbien vielleicht „einfacher“ gewesen zu sein scheinen. Der bisherige Vergleich nach meinem Jahr sagt mir jedoch, dass ich lieber mit den „Schwierigkeiten“ in Deutschland/Europa lebe und ich die dortige Sicherheit und die persoenliche Freiheit, die Leistungen des Staates und die Perspektiven von JEDEM der dort lebt, jetzt zu schaetzen weiss wie nie zuvor.

Vor allem aber freue ich mich auf meine eigene Familie, darauf, wieder geliebte Menschen um mich zu haben. Ein vertrautes Umfeld in dem Toleranz herrscht sowie die persoenliche Freiheit eines jeden.

Und so fahre ich nun also ein allerletztes Mal mit dem Fahrrad von der Arbeit nach Hause ueber die altbekannte Kreuzung, ein kurzer Blick auf die Ampel: Es leuchten Rot und Gruen gleichzeitig...

Mach es gut, Kolumbien!

...

aehm

STOP

Da war doch noch was, ... richtig!!

Eines der schoensten Ereignisse meines Aufenthaltes steht ja noch an, denn in wenigen Tagen kommt mich mein Vater hier in Kolumbien besuchen. Wir werden gemeinsam im Land herumreisen und er wird kennenlernen, wie ich hier in Girardot gewohnt und gearbeitet habe. Die Vorfreude ist bei uns beiden riesig!!

Doch ob es ueber dieses Ereigniss noch einen Artikel geben wird, weiss ich nicht.

Deshalb ist dies das vorlaeufige ENDE meiner Berichterstattung waehrend meines einjaehrigen „Anderen Dienstes im Ausland“ hier in Kolumbien.

Ich hoffe sehr ich konnte euch einen Eindruck davon machen, was man waehrend eines solchen Aufenthaltes von einem Land mitbekommt, euch informieren und unterhalten. Es hat mir Spass gemacht diesen Blog zu fuehren. Die Motivation jedoch das ganze Jahr ueber durchzuhalten wart Ihr als Leser.

In diesem Sinne, vielen Dank fuer das Interesse!!!

Gerade zum letzten, etwas kritischem Artikel wuensche ich mir Kommentare. Anmerkungen, Kritik, Fragen, was es auch sei. Ich antworte gerne (jedoch erst ab Anfang August. :)

Ende August geht es fuer mich wieder in die Heimat.

Ich hoffe auf ein baldiges Wiedersehen in Deutschland!

Nochmals vielen Dank,

euer Julian

Resumee Teil 3: "bergab"

Es ging damit los, dass durch heftige Regenfaelle Teile der Mauer einstuerzten, die das Feld umgeben. Viele Pflanzen wurden verschuettet und es mussten riesige Mengen Schlamm und Steine weggeschafft werden. Die eigentliche, produktive Arbeit musste also zurueckgestellt werden. Durch die im Vergleich zu vorher vielen Regentage wurde auch die Arbeit im Matsch unangenehm, sofern es ueberhaupt moeglich war zu arbeiten.
In der Vergangenheit kam es zwar immer wieder zu kleinen Diebstaehlen bei mir auf dem Feld (Vorhaengeschloss, Zange, Schaufel, Wasserhahn,...) auf die ich jedesmal mit einer Verstaerkung der Stacheldrahtverhaue an den kritischen Mauerloechern reagierte. Nun jedoch, da die Mauer an einer Stelle durch den Einsturz wesentlich niedriger war als vorher wurde Nacht fuer Nacht in das Grundstueck eingestiegen. Jeden morgen aufs Neue hiess es erst einmal sondieren, was denn nun wieder fehlt. Der Blick durch das kleine Loch in der Tuer vor dem Aufschliessen liess mich jedes Mal den Atem anhalten: „Waren sie noch da, die teuren Schattennetze??? Zum Glueck, sie sind noch da!!“ Aufatmen. Es fehlten lediglich des oefteren Holzbretter, mit denen die Beete befestigt werden. Auch wenn allein schon der Raub dieser Brette und somit das Zerstoeren der Beete eine Sauerei ist, wenn man bedenkt, dass dort Obst und Gemues angeplanzt wird fuer die Kueche eines Obdachlosenheims, habe ich versucht mich nicht allzusehr zu aergern und konnte weitgehend mit neuen Brettern alles wieder hinbasteln.

So ging es dann eine Zeit lang weiter, nicht so produktiv wie vorher, doch es ging. Irgendwann entdeckte ich dann mit Emma einen Sack gefuellt mit unreifen Ahuyamas (aehnlich unserer Zuccini), der innerhalb des Feldes bereitgelegt wurde um dann wohl in der Nacht abgeholt zu werden. Wir glaubten es nicht, jetzt begannen die Diebe schon uns die unreifen Fruechte wegzuklauen!

Schon von Beginn an wussten wir, man konnte keine Werkzeuge oder teuren Materialien dor lagern, doch wenn jetzt schon die (unreife) Ernte selbst entwendet wird, was beibt dann noch?? Etwas frustriert und zaehneknirschend ging es weiter. Doch es wurde immer schlimmer! Nur kurze Zeit spaeter fehlten einige Bambusrohre, die zur Konstruktion von Beeten fuer verschiedene Privathaeuser gedacht waren. Der Teil des Projektes, der auch ohne das Feld noch weiterleben koennte. Mein Aerger war riesig, ich brachte so schnell es geht die Konstruktion fertig, die ich angefangen hatte und brachte die restlichen Materialien zu Emma nach Hause.

Wie sollte es nun weitergehen?? Die Antwort liess nicht lange auf sich warten.

Als ich naemlich nach einem weiteren Wochenende wieder auf das Feld kam um festzustellen, dass uns die gesamten neu aufgespannten, teuren Schattennetze geklaut wurden stand es fest: Es geht nicht weiter. So kann niemand arbeiten! Viele Monate habe ich daran gearbeitet einen Gemuesegarten auf die Beine zu stellen, habe eine kleine Zucht nativer Baeume sowie einiger Zierpflanzen gehabt. Eine Arbeit die zwar urspruenglich als direkter Arbeitsplatz fuer die Obdachlosen unserer Stiftung gedacht war, im Endeffekt jedoch „lediglich“ der Kueche Obst und Gemuese lieferte, was ja indirket auch den Obdachlosen zu Gute kommt. Beklaut und wenn man es so will zum Teil zerstoert von den Obdachlosen selbst. Von Menschen, denen es so schlecht geht, dass sie nicht nachdenken, wem sie schaden. Denen es egal ist, dass sie indirket sich selbst schaden, da der Verlust auf dem Feld, welches Teil der gesamten Stifung ist, einen Mangel an Geld bedeutet, der sich auch auf das Obdachlosenhaus und somit IHRE EIGENE Unterkunft und Rettungsmoeglichkeit auswirkt. Doch was bei ihnen zaehlt sind die Drogen, die sie JETZT brauchen. Ein bisschen Bambus geklaut, beim Schrotthaendler gekauft und dirket um die Ecke von dem Verdienst etwas Marihuana erworben. Das reicht fuer den Rausch bis morgen, da braucht man auch kein Obdachlosenheim, da kann man ruhig auf der Strasse schlafen. Der Hunger ist dann auch nicht mehr so wichtig...


Ohne Schattennetzte verbrennen die Pflanzen in der Sonne. Abgesehen davon, wer glaub noch daran, an diesem Ort etwas aufzubauen ohne das man Gefahr laeuft, beklaut zu werden. Das Vivero wie es war an diesem Ort ist zu Ende. Die darauffolgende Tage, waehrend immer mehr Sachen verschwanden, klaerte ich mit den Verantwortlichen ab, dass kein Geld und keine Energie mehr in dieses Feld an diesem Ort gesteckt wird. Es ist es einfach nicht wert. Jetzt heisst es einpacken, alle „Wertgegenstaende“ abmontieren, an einem sicheren Ort lagern, hoffen, dass die restlichen Pflanzen nicht verbrennen und darauf warten, dass sich ein neues am besten teils bewohntes Grundstueck finden laesst, wo man einen Neuanfang wagen kann. Dies wird dann Aufgabe meines Nachfolgers sein. Fuer mich ist hier Schluss.

Es ist zwar eine recht traurige Wendung und sehr frustrierend, doch irgendwo auch eine runde Sache. Gerne haette ich das Feld in einem guten, bluehenden Zustand uebergeben, doch das Schicksal wollte es anders. Vielleicht ist es gut, die Erfahrung gemacht zu haben, dass man sich sorgsam um die Lage eines Grundstueckes fuer solch ein Projekt kuemmern muss, bevor man Geld und Arbeit investiert.

Ich jedenfalls bin etwas enttaeuscht von diesem Ende, vor allem aber muede. Fuer mich geht meine Zeit hier bald zu Ende. Ich blicke auf ein Jahr zurueck in dem ich so hart und kontinuierlich koerperlich gearbeitet habe wie noch nie zuvor in meinem Leben. Mit wenig Geld, einfachsten Mitteln und viel Anstrengung konnte ich aus einem leeren, jedoch durch meinen Vorgaenger schon gut preparierten Grundstueck einen gruen bewachsenen, bluehenden Pflanzgarten machen in dem mich jeden morgen ein Familie gelber Kanarienvoegel sowie ein zutrauliches Kolibiri-Paerchen begruesst haben.


Ich schaetze die Menschen, die sich sozial engagieren und mit solchen Enttaeuschungen zu kaempfen haben verursacht durch die Menschen, denen sie helfen wollen und dennoch immer weiter machen. Ich bin erschoepft und ziemlich froh nach diesem Jahr die Arbeit an jemanden abgeben zu koennen und hoffe sehr, das mit neuer, frischer Energie das Projekt in die richtige Richtung am richtigen Ort vorangetrieben werden kann.
Und es folgten weitere tolle Erlebnisse. Die Osterfeiertage verbrachte ich beispielsweise in POPAYAN, eine Stadt suedlich von Cali. In dessen prunkvollen Altstadt bestehend aus strahlend weiss verputzen Gebaeuden im spanischen Kolonialstil sollten die festlichsten und ueber die Landesgrenzen Kolumbiens beruehmten Osterumzuege stattfinden. Wahrhaftig waren die praechtigen, feierlichen Umzuege ein wunderbares Erlebniss, der angekuendigte „Massentourismus“ hiehlt sich auch in Grenzen. Zu einem der Hoehepunkte dieser Reise zaehlt mit Sicherheit das Erlebniss, einmal selbst einen dieser „Pasos“, auf denen durch Bild und Skulpturen die Ostergeschichte erzaehlt wird, tragen zu duerfen. Jedoch lediglich aus der Kirche zum Startpunkt der Prozession.




Einen dieser „Pasos“ waehrend der Prozession tragen zu duerfen ist mit grosser Ehre verbunden und geht aus langer Familientradition hervor (einflussreiche Familien besitzten die Pasos und das seit hunderten von Jahren). Trotzdem war es uns als „Zutraeger“ ebenfalls eine grosse Ehre. Die Gestelle haben ein Gewicht von 300-500 kg. Das bekommen die acht Traeger auch zu spueren. Ich jedenfalls war nach ein paar Blocks und etwa 15 Minuten (ich weiss die Zeit nicht mehr genau, habe mich eigentlich nur noch auf die Schmerzen konzentriert und mit mir selber gekaempftJ...) fix und fertig und habe noch Tage danach meine Schulter gespuert. Ein sehr befreiendes aber auch ehrfuerchtiges Gefuehl, die offiziellen Traeger im Anschluss 3-4 Stunden am Stueck tragen zu sehen.

Mehr Bilder zu den feierlichen Prozessionen sowie Erzaehlungen zu dem Aufenthalt gibt es zu einem anderen Zeitpunkt in einem extra Eintrag.

In diesem Beitrag geht es, obwohl man es nicht wirklich merkt, immer noch um eine Art Resumme... auch wenn ich bis jetzt nicht in der Lage war es konkret in Worte zu fassen.

Jedenfalls war ich grade dabei von weiteren verschiedenen tollen Erlebnissen zu sprechen. Neben der Fahrt nach Popayan, vor der ich sogar noch 3 Tage Aufenthalt in Cali hatte und mit Lars (einem weiteren Freiwilligen) in den Regenwald nahe der pazifischen Kueste an einen bezaubernden Urwaldfluss fuhr (mehr dazu ebenfalls in einem extra Beitrag) war es eine Zeit in der mir mein Aufenthalt wohl am meisten Spass machte beziehungsweise am „einfachsten“ viel. Dies lag an der Erinneung an die bisherigen Reisen und unglaublichen Erlebnissen (niemals hatte ich mir vorher in Deutschland ertraeumt durch den Amazonas zu wandern oder in der Karibik unter Palmen zu liegen oder zu surfen) jedoch am meisten an meiner Arbeit. Immerhin ist die Arbeit in meinem Projekt der Hauptgrund warum ich hier bin. Es gab schon ganz von Beginn an viele Probleme. Ich berichtete von der grossen Unterstuetzung und Interesse der Frauen aus dem Viertel an der Arbeit auf dem Feld und der darauffolgenden eintreffenden Lustlosigkeit. Nach und nach verliessen sie mich und am Ende stand ich alleine da, lediglich eine aeltere Frau (Emma) aus dem Armenviertel begleitete mich weiter und ist bis zum Schluss regelmaessig dabei gewesen mich beim Bewaessern, Anpflanzen und Pflegen der Pflanzen zu unterstuetzen. Sie ist die einzige, die einen Nutzen aus der freiwillen Arbeit gezogen hat und nicht schon vorher aufgegeben hat. Sie sagte mir eines Tages: „Weisst du Julian, ich komme gerne auf das Feld um hier zu helfen. Es ist besser zu saeen und zu sehen wie die Pflanzen gedeien, als staendig die traurigen und wuetenden Gesichter zu Hause.“
Diese Einstellung beziehungsweise die Erkenntnis haette ich mir gerne auch von den Obdachlosen gewuenscht, fuer die das Projekt ja schliesslich auch gedacht war, doch dazu kam es leider nie.

Auf jeden Fall teilte ich mir mit Emma eine Arbeit und auch eine Einstellung. Auch wenn ich mit ganz anderen Problemen zu tun hatte, war das Feld fuer mich wie eine Befreiung.

Wie schon berichtet (?) fuehlte ich mich bei meiner Gastfamilie nicht wirklich wohl. Ich habe zwar gelernt mit der Situation umzugehen, trotzdem belastete es mich permanent. Ich konnte kaum etwas machen ohne zu wissen, dass es meiner Gastmutter auf irgendeine Weise nicht passte. Angefangen mit den Freunden, die „schlechte Menschen“ seien, weil sie aus armen Verhaeltnissen kommen, Wandertouren („...da ist die Guerilla...“) oder einfach nur irgendwelche Untermehnungen in der Stadt mit/bei Freunden. Dadurch dass ich alles daran gesetzt habe die wenigen Freunde die ich zu Beginn hatte und bei denn ich mir sicher sein konnte, dass es keine „schlechten Menschen“ waren und keine Gefahr ausging, weiterhin zu treffen (indem ich mit vielen Leuten von AFS sprach und oefter mit meiner Gastmutter diskutierte) war unser Verhaeltniss schon frueh beschaedigt. In ihren Augen ist man sturkoepfig und will nicht hoeren, wenn man diskutiert oder allein nachfragt, WARUM etwas so ist wie es gesagt wird. Es hatte einfach keinen Zeck mit ihr zu reden. Da ich also irgendwo ihre Authoritaet untergrub indem ich mir Unterstutzung bei den anderen Frauen holte, wurde die Beziehung schlechter, jedenfalls nicht mehr oberflaechlich freundlich, was auch was Gutes hatte. Dennoch hat es mich bedrueckt, bis heute. Es ist ein Zustand in dem ich im Prinzip alles machen kann was ich moechte (eigenverantwortlich), meine Gastmutter mich jedoch spueren laesst, das sie mit sogut wie nichts einverstanden ist. Dass ich ihr Bescheid gebe ist reine Formsache und es belastet mich jedesmal aufs Neue. Ich merke deutlich, dass ihr es nicht gefaellt was ich ankuendigt. Als Antwort kommt dann nur noch „Du musst es ja wissen“ , „Weiss Julia von AFS davon“ oder „Was soll ich sagen, du machst doch eh was du willst“ oder einfach gar keine richtige Antwort, grade bei Dingen die sogar fuer SIE niemals als gefaherlich eingestuft wuerden und denen sie eigentlich (in einem „guten“, oberflaechlichen(?) Verhaeltniss) zugestimmt haette, wie beispielsweise Kino... Es war also so, dass ich auch nicht mehr wirklich fragen konnte, ob jetzt wirklich eine Situation gefaherlich sei, da ich ja fuer nichts „ihren Segen“ bekam. Auch wenn ich das meiste, was ich wollte gemacht habe, fuehlte ich mich dennoch bei allem ungut. Egal, was ich machte, ich wusste, dass sie nicht einverstanden war. Es haette mir auch egal sein koennen, doch immerhin hat sie mich fuer ein Jahr bei sich aufgenommen und bietet mir rein materiell (grosses Haus, eigenes Zimmer, gewaschene Waesche, gutes Essen, ...) sehr viel. Auch wenn ich mich immer wieder frage, warum sie mich aufgenommen hat, wo doch so wenig Interesse an mich und meine Kultur/meine Heimat besteht und wir auch keine Familienunternehmungen miteinander teilen...
Es ist mir jedenfalls nicht egal, was sie denkt und fuehle staendig eine gewisse Verpflichtung mich gut aufzufuehren und ihr nicht so viele „Sorgen“ zu bereiten. Folglich fuehle ich mich bei allem was ich mache nicht hundertprozentig gut.

Meine Freiheit ist eingeschraenkt!

Jedoch gibt es eine Ausnahme. Meine Arbeit. Das Feld war der einzige Ort, an dem ich mich gewissermassen frei fuehlen konnte. Wenn ich sagte: Ich geh zur Arbei, dann wusste ich, es war ok. Es musste ok sein, denn grade fuer meine Gastmutter, als konservative Witwe, Arbeitgeber von mehreren Angestellten und knallharte Geschaeftsfrau im Rinder-Business hatte Arbeit und Tuechtigkeit einen sehr hohen Stellenwert.
Auch wenn sie am Anfang sagte, es sei ein gefaerlicher Ort und ich sollte mich dort nicht aufhalten wenn es dunkel ist, hatte ich fuer meine Arbeit ihren „Segen“. (Definitiv ist es ein sehr armes Viertel und an dieser Stelle zudem noch unbewohnt. Ich habe wirklich Glueck, das mir persoenlich dort nichts passiert ist. Spaeter mehr zum Thema Sicherheit).

Dadurch, dass niemand mehr zum Feld zurueckkam um zu helfen war ich auf mich alleine gestellt. Ich war mein eigener Chef. Ich konnte machen was ich will. Wenn ich nichts gemacht habe, dann ist auch nichts passiert und so musste ich mich selber organisieren. Ich entschied was angepflanzt wird, wo welche Beete entstehen, spannte schattenspendende Netze, errichtete Bambuskonstruktionen, erstattete immer wieder Bericht in den woechentlichen Besprechungen, lieferte die Ernte in der Kueche des Obdachlosenheims ab, kuemmerte mich um eine grosszuegige Geldspende eines Pfarrers und erledigte damit einen grossen Einkauf neuer Geraete und Materialien, woduch viel Zeit eingespart wurde und die Arbei noch mehr Spass machte. Ich konnte beispielsweise ab jetzt mit einem Schlauch giessen (was fuer ein technischer Fortschritt, ich fuehlte mich wie in der industriellen Revolution;)), hatte eine neue grosse Schubkarre, mehr Schattennetze und Bambus und Pastikfolie um tragbare Hochbeete zu bauen. Fuer das Obdachlosenheim, fuer ein Altersheim und fuer eine Frau zu Hause. Des Weiteren kuemmerte ich mich um eine neue Lieferung Erde. Dazu war ich im Rathaus und bekam einen Lader von der Stadt gestellt, samt Fahrer. Mit einem Freund hatte ich einen Ort ausfindig gemacht in dem gute Erde abgetragen werden konnte. Wir fuhren dorthin und luden den Lader mit Schaufeln(!) voll mit guter schwarzen Erde.
Mit der neuen Erde konnte ich viele Plastikbeutel befuellen in denen ich beispielsweise Palmen saete oder kleine Aeste die ich vom Schnittabfall in diversen Gaerten bekannter Leute sammelte. Einfach den frischen Ast in die Erde pflanzen und so spriessen nach ein paar Tagen neue frische Blaettchen. So werden nun auf dem Feld kleine Limonenbaeume und diverse Zierpflanzen gezuechtet.

Insgesamt lief die Arbeit sehr gut, es gab IMMER etwas zu tun, auch viele Probleme, beispielsweise mit Wasserrohrbruechen und hohen Wasserrechnungen, doch die probleme wurden geloest und es machte mir unglaublich Spass. Ich investierte sehr viel Zeit in das Projekt, bei der Arbeit war ich frei und es war wunderbar zu sehen wie alles gedeiht.

Mit dem Beginn der Regenzeit jedoch ging es bergab.

Samstag, 5. Juni 2010

(Einschub 2) Erinnerung: Trockenzeit, Fotoreihe


Die naechsten Bilder zeigen Sandinseln im Rio Magdalena die aufgrund der Trockenzeit enorme Ausmasse angenommen haben. Die zum Vorschein gekommenen skurilen Figuren sowie die interessante Landschaft und der ausgefallene Ort boten gute Fotomotive:



(Die Inseln von oben)
















































(Einschub 1) Erinnerung: Wandererlebnisse

Ich unterbreche mein vorlaeufiges (...noch gar nicht richtig begonnenes Resumee) fuer eine Fotoreihe.


Wie auch schon in der Zeit davor nutzte ich oefter die Wochenenden fuer Wanderungen in der wunderschoenen Umgebung Girardots. Zu den besten Ausfluegen die wir stets mit einer kleinen Gruppe von Naturbegeisterten unternahmen gehoerte beispielsweise die Wanderung durch eine teils hoehlenartige, teils dicht bewachsene Schlucht

(„Las Cabernas"):





























Bei dieser Wanderung zu den "Piedras Negras ("Schwarze Felsen") bekamen wir eine schoene Aussicht auf das Tal des Rio Magdalenas bei Girardot von oben.















Noch einmal Haareschneiden oder Ein vorlaeufiges Resumee Teil 1

Vor ein paar Tagen wurde es mir bewusst: Drei Mal habe ich waehrend meiner Zeit bisher den Friseur aufgesucht. Wenn es in diesem Rythmus weitergeht bedeutet das im Klartext: Noch einmal Haareschneiden und dann geht es heim!

Wesentlich sachlicher ausgedrueckt bleiben mir von meinem Jahr als AFS-weltwaerts Freiwilliger hier in Kolumbien noch knappe zweieinhalb Monate, heute genau 74 Tage.

Die Zeit seit Neujahr scheint mir wie im Fluge vergangen zu sein. Nachdem sich die Probleme in der Gastfamilie um die Weihnachtszeit herum zwar nicht geloest haben, ich aber gelernt habe damit umzugehen und wenn noetig eine gewisse Distanz zu halten (eine andere Wahl gab es im Prinzip auch nicht, da keine andere Gastfamilie fuer mich gefunden werden konnte...) ging es mit dem neuen Jahr bergauf. Es war irgendwann im Februar als ich zum ersten Mal das Haus in dem ich hier wohne als eine gewisse Heimat empfand. Nicht zu vergleichen mit meinem Zuhause in Meldorf, doch von einem Moment auf den anderen, als ich mich nach der Arbeit fuer einen Moment in der Haengematte niederliess um etwas fern zu sehen fuehlte ich mich zum ersten Mal nicht mehr so sehr als Gast wie vorher. So richtig wohl fuehle ich mich bis heute nicht; was auch ein sehr hoher Anspruch an eine „Zufallsfamilie“ in einer so anderen Kultur ist. In dem Moment genoss ich zudem Privilegien, die nicht dem Normalfall entsprechen. Erstens ist die Haengematte so eine Art Chefsessel. Sobald Teresa, meine Gastmutter zu Hause ist, muss Platz gemacht werden. Zweitens ist es (wenn Teresa zu Hause ist) vorbestimmt welcher Fernsehkanal eingeschaltet ist: RCN, einer der zwei grossen „oeffentlichen“ (der Sender gehoert dem Boss von „Postobon“, eine Getraenkemarke aus Kolumbien mit Absatz in ganz Lateinamerika) Kanaele, tagsueber mit Nachrichten und abends mit Telenovelas (Soaps). Vor ein paar Wochen ist als neue Krankenhaus/Aerzte - Novela eine Art Kopie der US-Soap „Grey’s Anatomy“ bzw „Scrubs“ angelaufen. Die Idee und der Aufbau gleich, jedoch mit landestypischen Details wie beispielsweise die Einlieferung von schwer verletzten 19 jaehrigen Soldaten die frisch aus Kaempfen mit der Guerilla kommen.

Um den eigentlichen Faden jedoch wieder aufzunehmen, fuehlte ich mich jedenfalls ab Mitte Februar schon etwas besser im Haus, mit dem Projekt war es wie immer kompliziert und anstrengend jedoch gut. Zusaetzlich habe ich angefangen Volleyball zu spielen. Neben dem Sport als koerperliche Betaetigung (jedoch NICHT Arbeit, sonder Freizeit), der mir definitiv fuer meine persoenliche Ausgeglichenheit gefehlt hat, lernte ich im Trainung schnell viele neue Leute kennen und wurde in die Volleyballgemeinschaft sowie in deren Freundeskreis intigriert. Es fuehrte soweit, dass ich mit der Mannschaft zu einer Begegnung nach Ibague fahren konnte.




Sonntag, 11. April 2010

Chevrolet - Chevere


Der Grossteil der Autos die auf kolumbianischen Strassen unterwegs sind ist von der Marke „Chevrolet“. So hat auch der Mann meiner Gastfamilie einen, die Besonderheit jedoch: Es handelt sich bei seinem Wagen um das Baujahr 1953. Auch wenn die meisten Autos, vor allem Lastenautos und LKW schon viele Jahre auf dem Buckel und Kilometer auf dem Zaehler haben, ist sein Auto eine echtes Liebhaberstueck. Gut gepflegt, rot lackiert und auf Gas umgeruestet.

An einem Samstag fuehren wir zwei dann das Tal des Rio Magdalena hinauf etwa eineinhalb Stunden zu seiner Finca. Alleine die Fahrt war schon ein Genuss.

Dort angekommen zeigte er mir die Rinderzucht und die Einfache Unterkunft seines Arbeiters und seiner Familie. Darauf mussten wir ans andere Ende seiner „Koppel“ fahren um dort die Tier zu zaehlen.

Ich muss im Auto wohl kurz eingenickt sein, denn ich traeumte, dass ich selber diesen sagenhaften Chevrolet ’53 ueber die Feldwege und anschliessend wie ein Cowboy der Neuzeit ueber die Weide bis hin zu den Tieren fahren durfte. Ein klasse Gefuehl!!

Da AFS uns untersagt jegliche motorisierte Fahrzeuge zu benutzen, war es nur gut, dass es ein Traum war ... ;)






Bis bald,

euer Julian