Montag, 26. Oktober 2009

"Ein typisch durchschnittlicher Arbeitstag"

Mein Handywecker klingelt zwischen 6 und 6:30. Oft bin ich schon vorher halb wach. Das ist der Fall, wenn die Papageien vor meiner Zimmertuer ausgesprochen munter sind und schon vor Sonnenaufgang anfangen rumzuschreien und sich gegenseitig spanische Schimpfwoerter an den Kopf zu werfen. (deusche haben sie bis jetzt noch nicht verinnerlicht...) Sollte das nicht er Fall sein reisst mich der Wecker aus einem Schlaf, der oft nicht wirklich tief aber immer sehr „schwer" ist. Aufgrund der Hitze fuehlt man sich wie eine Eidechse im Winterschlaf, nur andersherum. Es dauert eine Weile bis der Kreislauf hochgefahren ist. Ich wanke ins Bad vorbei an den Papageien, die munter fragen „¿Tiene Cacao?" – ich antworte nicht. Im Bad erwartet mich manchmal die eine oder andere „Cucaracha". Die Dusche hat nur einen Hahn, zunaechst etwas verwunderlich, doch aufgrund der Hitze voellig ausreichend. Am Abend wuenscht man sich das Wasser eher noch kaelter! Meistens schlafen meine Mutter und mein Bruder noch, Amparo, die Hausangestellt, die mit uns im Haus schlaeft ist jedoch schon wach. Wir machen gemeinsam Fruehstueck: Ei, Brot (manchmal mit Marmelade), Kaffee (frisch geliefert von Juan Valdez;) ) Waehrend des Fruehstueckes steht auch meine Mutter auf. Es dauert nicht lange bis ihr Handy oder das Fukgeraet klingelt. Das erste Mal von durchschnittlich 30 Mal pro Tag...
Mit dem Fahrrad, saemtliche Schlafloecher mittlerweile routiniert umfahrend, mache ich mich auf dem Weg durch die Stadt zur Arbeit. Die Luft ist morgens noch sehr angenehm, auch sind noch nicht viele Menschen auf der Strasse unterwegs. Waehrend meiner Fahrt merke ich dann, wie das taegliche, quirrlige Treiben der Stadt langsam beginnt. Schueler und Studenten stroemen in ihre Gebauede, an vielen Strassenecken gibt es Kaffee und „Empanadas". Das letzte Stueck meines Weges geht es steil bergab runter zum Rio Magdalena und runter ins Armenviertel. Ich treffe Senora Emma auf dem Feld, sie ist schon weit ueber 70 und hat im letzten Jahr zusammen mit Marco und anderen Frauen das ehemalige Fabrikgelaende aufgeraumt sodass dieses Jahr Pflanzen angelegt werden konnten Ich schmiere mich ein mit Sonnencreme und Mueckenmittel, dann giessen wir die Pflanzen mit im Deckel perforierten Plastikflaschen. Nach etwa einer Stunde begleite ich Emma nach Hause und bringe die Werkzeuge mit der Schubkarre von ihrem Haus (in dem wir das Zeug lagern, damit es nicht geklaut wird) zum Feld (etaw 2 Blocks). Auf dem Weg treffe ich John. Er arbeitet neben unserem Feld fuer einen privaten Sicherheitsdienst und bewacht ein kleines E-Werk. Er ist sehr gespraechig und bringt mir immer wieder neue Woerter bei. Auf dem Feld fange ich dann mit der richtigen Arbeit an. Ich ueberlege mir im Prinzip nicht vorher, was ich machen werde, da es immer etwas zu tun gibt. Die Gartenarbeit besteht aus Unkraut jaeten, saehen, umtopfen, Erde filtern/mischen, Pflanzen stabilisieren und mehr. Handwerkliche Arbeiten waren bis jetzt das bauen von Hochbeeten, einem Abwasserkanal und zwei Leitern, das Errichten von Stuetzpfosten aus Bambus fuer die „Sonnensegel", das Absichern des Gelaendes mit Stacheldrahtzaun oder einfach nur Aufraeumarbeiten. Ich versuche ein bestimmtes Pensum an anstehenden Arbeiten zu schaffen. Manchmal kommen eben auch Teilnehmer des Kurses und helfen mit, bringen Pflanzen, Samen oder andere Materialien. Je nachdem, ob ich noch Besorgungen in der Stadt (vor 12!) machen muss (neue Werkzuege oder Materialien kaufen, Handy aufladen, Internet, Supermarkt,etc.) fahre ich zwischen 11 und 12 nach Hause. Die Hitze ist mittlerweile unertraeglich, folglich fuehrt zuhause der erste Weg zum Kuehlschrank um ein paar glaeser Wasser zu trinken, der zweite fuehrt unter die DuscheJ Gegen 13:00 gibt es Mittagessen. Beispielsweise eine dicke Suppe aus roten Bohnen, danach Reis mit einem Stueck gebratenem Rindfleisch, fritierte Platana (aehnelt banane) und Avocado. Dazu gibt es Jugo (frischer selbstgemachter Fruchtsaft). Bei der Hitze einfach das Groesste!!! Mora, Curuba, Uva, Lulu, Maracuya, Tomate, Guanabana, Guayava, undsoweiterundsofortJ Meistens war Teresa (ab und zu mit Felipe) auf der Finca. Nach dem Essen mache ich manchmal Mittagsschlaf oder ich fahre (seit neuestem) ins Haus der Kultur, mache Musik von 14 bis etwa 15 Uhr und fahre danach weiter zur Arbeit. Die Hitze am Nachmittag ist noch enorm und „peitscht" einem auf der Fahrt wie heisser Wuestenwind ins Gesicht, so dass einem die Augen schmerzen. Ich war zwar noch nie in der Wueste, einen grossen UNTerschied zu dem Klima hier duerfte es allerdings nicht machen.. Viel schafft man nachmittags demnach nicht mehr. Ab halb 5 muessen die Pflanzen wieder gegossen werden, sodass ich vor 6, also vor Anbruch der Dunkelheit, von dem Feld loskomme. Vor dem Raubueberfall war ich teilweise bis 7 oder halb 8 auf dem Feld bzw bei Esperanza zu Hause, doch meiner Mutter ist es zunaechst lieber, dass ich nicht so „spaet" heimkomme. Gegen 7 gibt es Abendessen. Danach habe ich Zeit fuer mich. Entweder falle ich muede ins Bett, hoere Musik oder ich lese, uebe Gitarre, gehe ins Internet (sofern dies moeglich ist), verbringe Zeit mit meiner Familie, schaue fern,... jeden Mittwoch habe ich Gitarrenstunde. Unternehmungen mit Freunden finden dann eher am Wochenende statt. ¡Buenas Noches!
(Auch wenn ich wahrscheinlich viele Detaills vergessen habe – dies ist ein typischer Arbeitstag hier in Girardot, Kolumbien.)

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