Montag, 26. Oktober 2009

Einige Problemchen...

Lange hat es gedauert und aus dem angekuendigten Monatsrueckblick wird eben jetzt so etwas wie ein Zweimonatsrueckblick. Die lange Wartezeit bis zu diesem Eintrag laesst sich auf den Virus schieben, der den einzigen PC im Haus restlos zerfressen hat. Saemtliche Dateien und installierte Programme wurden geloescht. Die Folgen waren in vielerlei Hinsicht unangenehm. Erstens war meine Mutter tagelang sehr veraergert war wegen persoenlicher Dateien und einiger teurer Programme. Dieser Aerger wirkte sich natuerlich auch auf mich aus, vor allem, da sie wohl vermutete, dass ICH die Viren "aus Deutschland" eingeschleppt habe. Zweitens blieb der PC die naechsten Tage aus, da ein "Ingeneur" kommen sollte, der dann den PC formatieren sollte. Ich glaube meine Familie versteht nicht unbedingt viel von Computern, denn als der "Fachmann" kam wurde er unter anderem darum gebeten Verknuepfungen von Programmen auf dem Desktop zu erstellen… Bis der PC wieder funktionsfaehig war dauerte es jedoch ungefaehr 2 Wochen. Als ich dann das erste Mal ins Internet gehen wollte entdeckte ich 3 Profile. 2 waren mit Passworten gesichert. Das Profil "Invitado" war anscheinend fuer mich gedacht. Ich oeffnete es, konnte jedoch nicht ins Internet gehen. Ich dachte mir nichts dabei, da hier oefter mal das Internet nicht funktioniert, genauso wie mehrmals die Woche der Strom ausfaellt. Als ich meinen Bruder jedoch die naechsten Tage im im Internet surfen gesehen habe, versuchte ich es danach aufs neue – doch das Internet schien fuer mein Profil gesperrt. Irgendwann kam mein Bruder an und oeffnete das mit Passwort gesicherte Profil meiner Mutter mit den Worten: "Sei vorsichtig! Und lade nichts runter! Keine Skype!" Seit dem Raubueberfall (siehe Blogeintrag: "Raubueberfall") behaldelt er mich leider noch mehr wie ein Kind. Ausserdem kann man an diesem Beispiel schon erkennen wie hier mit Problemen umgegangen wird. Es wird (zumindest in meiner Familie) einfach NICHT direkt drueber geredet. Stillschweigend wird ein Passwort eingerichtet was soviel heisst wie: „Lieber Julian, wir sind der Meinung, dass du die Schuld an dem zerstoererischen Virus traegst und sind sehr veraergert ueber den Verlust unserer Daten und teueren Programme. Aus diesem Grund wollen wir nicht, dass du weiterhin unser Internet nutzt!!" Natuerlich wuerde keiner es so dirket formulieren, aber hier wurde einfach GARNICHT darueber geredet.
Zu der Mentalitaet der Menschen, woweit ich sie in den letzten zwei Monaten kennenlernen konnte spaeter mehr.
Ich konnte also endlich ins Internet. Es war schon hoechste Zeit, doch Gelegenheit meinen Blog zu aktualisieren blieb nicht. Auch nach der Reparatur des PCs ging ich oefters auf dem Heimweg von der Arbeit zur Mittagspause in ein Internetcafe, jedoch nur um eMails zu empfangen bzw. Kurze Nachrichten zu schreiben. Fuer lange eMails geschweige den Blogeintraege blieb keine Zeit. (Siehe dazu: "Ein typisch durchschnittlicher Arbeitstag") Auch Abends hatte ich oft keine Chance, da meine Bruder das Internet belegte. Eines Abends hatte ich mit ihm ausgemacht, dass ich das Internet nach ihm nutzen koennte. Er wollte es mit gegen halb 11 geben. (Wie haben so einen USB-Internet-Stick (aber kein W-Lan…)) Ich war von der Arbeit dermassen geschafft, dass ich vor dem Fernseher immer wieder einschlief. Ich legte mich also mit Klamotten in mein Bett und stellte mir meinen Wecker auf halb 11. Als ich dann an der abgeschlossenen Zimmertuer meines Bruders klopfte hoerte ich von drinnen nur lautes Schnarchen… na toll. Ich startete einige Versuche ihn durch klopfen und rufen zu wecken, doch es war zwecklos.
Der Prozess einer eMail von schreiben bis zum Abschicken ist abhaengig von meinem Arbeitspensum, der Geschwindigkeit des Internets in den Cafes bzw. der Geschwindigkeit oder Zuverlaessigkeit meines Bruders, dementsprechend nicht so ganz einfach und muss stets ueber mehrere Tage geplant werden.
Ein weiteres Problemchen stellt zur Zeit die Arbeit dar. "An sich" ist alles prima, doch das reicht nicht. Seit dem Kurs fuer staedtische Landwirtschaft gibt es etwa 20 potentielle freiwillige Helfer. Doch mit der Abreise des Profesors aus Bogota verabschiedete sich auch die Motivation der Leute. Lediglich ein paar wenige kamen regelmaessig auf das Feld um zu helfen. Andere kamen ab und zu vorbei und erkundigten sich, wer den alles so da war. Oft musste ich ihnen jedoch anworten, dass sie die ersten seien worauf die meisten ploetzlich noch "wichtige Termine" hatten und zuegig die Flucht ergriffen. Viele kamen gar nicht mehr. Ich wollte ein Treffen mit allen organisieren, doch da mir mein Handy geklaut wurde, musste ich mir zunaechst alle Nummern organisieren. Dies dauerte weitere zwei Tage, da eine Kontaktperson es nicht geschafft hat mir die Liste zu kopieren. Irgendwann lies ich mir die wichtigsten Nummern per Telephon diktieren und startete eine Art Telephonkette. Am Tag des Treffens kamen 9 der 20 Leute…
Es ist sehr unzufriedenstellend, da ich gewissermassen fuer das Projekt verantwortlich bin. Nachdem Esperanza, die im letzten Jahr die Verantwortung zusammen mit Marco ueber das Feld hatte, jetzt jeden Tag im Hotel arbeiten muss bin ich mehr oder weniger auf mich allein gestellt. Mehr oder weniger, da ich regelmaessig mit der Geldgeberin Ruecksprache halte, doch in Sachen Organisation kann sie mir auch wenig weiterhelfen, da sie gleichzeitig Chefin eines Immobilienbueros ist, ein Altersheim foerdert, im AFS-Kommittee ist und eben auch das "Pflanzgartenprojekt" foerdert. Kurze Anmerkung: Nebenbei ist sie auch die Freundin meiner Mutter. Und sowieso kennen sich einfach alle hier und jeder hat mit jedem etwas zu tun (jedoch nur mit Personen der selben sozialen Schicht!!!). Es gibt unendlich viel Tratsch… egal wo man ist, mit wem und zu welcher Uhrzeit, man wird immer gesehen und es wird alles munter weitererzaehlt…
Es liegt also an mir die Leute zu animieren, was sich als sehr schwierig erweist. Ich will nicht sagen, dass die Leute hier faul sind, aber die Hitze scheint die Menschen in ihrer Aktivitaet schon sehr einzuschraenken. Auch habe ich diese Woche, natuerlich nicht direkt, sondern ueber 3 Ecken gehoert, dass die meisten der Freiwilligen nicht arbeiten wollen, weil sie kein Geld bezahlt bekommen und die Ertraege verkauft warden und der Gewinn ausschliesslich der Fundacion zu Gute kommen sollen. So ganz klar ist das jedoch auch nicht, da sind sich naemlich auch die "Grossen" uneinig. Auch haben wir nocheinmal versucht die Obdachlosen, die regelmaessig das Angebot der Fundacion nutzen zu motivieren auf dem Feld zu arbeiten, doch das hat eine grosse Diskusision ausgeloesst. Kaum einer hat Lust unentgeltlich zu arbeiten. Ist irgendwo auch verstaendlich, doch wir habe uns darauf geeinigt, dass jeder Woechtenlich ein bis zwei Stunden auf dem Feld mithilft, als ein „moralisches Soll", damit waren die meisten zufrieden. Bis der „Stundenplan" organisiert ist, sollen die Obdachlosen die Moeglichkeit haben einfach so auf dem Feld vorbeizuschauen und das Gelaende kennenzulernen. In der letzten Zeit haben mir immer wieder einige der Maenner angekunedigt, dass sie bald kommen wollen, das ist bis jetzt jedoch noch nicht geschehen.
Lediglich einer kam. Das war jedoch ein Reinfall: Ich habe ihm gezeigt, was wir anbauen, er hat sich jedoch nicht wirklich interessiert. Viel mehr hat er sich fuer meine Sachen interessiert. Ich hatte mich lediglich einen kurzen Moment von ihm weggedreht, da hatte er schon seine Hand an meinem Rucksack. Schnell zog er seine Hand weg und blaetterte „unauffaellig" in meiner neben dem Rucksack liegenden Kladde und fragte scheinheilig, ob er ein Blatt haben koennte... ich sagte nichts, machte ihm jedoch klar, dass ich jetzt gehen muesste. Als er verschwunden merkte ich, dass das Vorhaengeschloss fehlte... voellog sinnlos zu rauben, ohne Schluessel, trotzdem Scheisse! Hijo de puta.
Ich verrigelte umstaendlich mit meinem Fahrradschloss und fuhr zu meiner Chefin. Sie lachte ueber den Vorfall. Gewissermassen lachte sie mich aus, da ich mich so leicht hab uebers Ohr hauen lassen. Ich schaemte mich, war aber auch froh, dass es kein Drama war und kaufte ein neues Schloss.
Ich arbeite also jeden Tag auf dem Feld und hoffe, dass jemand vorbeikommt. Viel Zeit darueber nachzudenken, was man an der Organisation aendern kann bleibt mir jedoch auch nciht, da es enorm viel zu tu gibt. (siehe ebenfalls: "Ein typisch durchschnittlicher Arbeitstag")
Das Problem(chen) was mich zurZeit am meisten beschaeftigt bezieht sich jedoch auf meine Freizeit. Ich hatte bereits darueber geschrieben, dass mein Bruder mir komplett verbieten will, dass ich mich mit „Personen, die er nicht kennt" treffe geschweige denn rede (ich habe mir seine Versuche „Verantwortung" ueber jemanden zu nehmen angehoert und mir stillschweigend lediglich meinen Teil gedacht...), meine Mutter ist nicht ganz so radikal, sieht es jedoch acuh nicht gerne. Sie moechte ueber die Menschen Bescheid wissen, mit denen ich mcih treffe um sicherzugehen, dass es keine „schlechten Menschen" sind. Das Problem ist nur, dass ihre Meinung sehr eingefahren und vorurteilsbehaftet ist. Wie mir die Chefin des AFS-Kommittees Girardot erklaerte ist dies eine Sache der Kultur. Wahrend in Deutschland bzw. Europa die meisten Menschen als gleich angessehen werden herrscht hier die Differenzierung der Menschen in soziale Schichten viel extremer vor. Jemand der arm ist, eine „niedere" Arbeit hat, ein „kaputtes" Familienverhaeltnis (und „womoeglich noch eine dunkle Hautfarbe") hat gilt als „gefaerlich". „Ein Dieb, ein Drogenabhaeniger". Das sind Meinungen, die man nicht selten hoert von Menschen im Umfeld meiner Familie, meiner Kontaktperson, dem AFS-Kommitte. Alles Leute der „Oberschicht". Meine Mutter vertritt diese konservertive Meinung sehr stark und laesst sich von ihren Vorurteilen kaum abbringen. Gewiss hat sie ihre Gruende. Vor 20 Jahren wurde ihr Mann von der Guerilla ermordet. Aufgrund der Oeffentlichkeit dieses Blogs verzichte hier ich auf weitere Detaills. Jedenfalls hat sie Gruende eine Abneigung gegenueber einer ganz bestimmten Gruppe von Menschen zu haben, doch diese Abneigung uebertraegt sie auf Menschen, die mit dieser Sache in der heutigen Zeit einfach nichts mehr zu tun haben. Beispielsweise auf alle Menschen, die nicht den Kriterien der Oberschicht entsprechen, so auch Cesar. Er ist der feste Freund von Lea, eine Freiwillige aus Deutschland, die im letzten Jahr hier in Girardot gearbeitet hat. Ich habe ihn nun auch kennengelernt und er erweist sich als sehr netter und aufrichtiger Mensch der eine Art Freund werden koennte. Ich habe noch nichts schlechtes an ihm feststellen koennen. Zwar kommt er aus armen Verhaeltnissen, doch arbeitet er und studiert parallel internationale Kueche. Er ist sehr engangiert und spart Geld um naechsts Jahr nach Deutschland zu reisen um seine Freundin zu besuchen. Er hat mir viel in der Stadt gezeigt und mir erklaert, welche Strassen man zu welcher Uhrzeit meiden sollte. Auch begleitet er mich stets bis nach Hause, kurz: er kuemmert sich sehr. Nach dem Raubueberfall hat er mich besucht um sich zu erkundigen, was denn passiert sei, da ich nicht an mein handy gegangen bin. Er war beinahe sauer, dass wir alleine unterwegs waren und nicht mit ihm. Auch wenn das AFS-Kommitte ihn kennt traut meine Mutter ihm nicht und es ist jedesmal eine sehr schwierige Situation, wenn ich frage, ob ich mich mit ihm treffen kann. Ich weiss genau, dass meiner Mutter es nciht sehr gefaellt. Es ist mir wichtig den Kontakt aufrecht zu erhalten udn zu staerken, doch gleichzietig will ich meine Mutter nicht veraergern. Ich muss erreichen, dass meine Mutter ihm ein bisschen mehr Vertrauen schenkt, gleichzeitig aber darf ich nicht zu viel von ihr verlangen, da sie sehr schnell eingeschnappt ist wenn ich zu fordernd bin. Sie sagt dann zwar (zaehneknirschend) ja, denkt sich ihren Teil, sagt jedoch nicht ihre Meinung sondern laesst es mich durch schlechte Laune fuehlen. Das konnte ich schon erleben und habe daraus gelernt. Es ist Arbeit mit Fingerspitzengefuehl und viel Geduld um verschiedene Kulturen aber auch verschiedene Persoenlichkeiten und Ansichten zusammenzubringen.
Jedenfalls schaffe ich es mich mit Casar zu treffen und habe auch schon einen Freund von ihm kennengelernt. Er heisst Juan Camillo und ist sehr musikbegeistert und hat mich mit ins „Haus der Kulturen" genommen. Dort gibt es jeden Nachmittag die Moeglichkeit Lateinamerikanische Percussion zu lernen. Es stehen dort Instrumente und es ist ein Musiklehrer angestellt. Nachmittags kommen dann Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. „Wer zuerst kommt spielt zuerst" (etwa 20 bis 40 Minuten, je nachdem wie gross der Andrang ist) ist die Devise. Alle durcheinander uebt jeder auf seinem persoenlichen Wissensstand und der Lehrer hilft ueberall weiter. Es ist eine etwas chaotische Angelegenheit, doch keiner muss etwas dafuer zahlen. Man lernt von den anderen und gemeinsam in der Gruppe. Ich versuchen jetzt ein bis zweimal die Woche dort zwischen Mittagessen und der Arbeit am Nachmittag hinzugehen um kolumbianische Rythmen auf dem Schlagzueg zu lernen. Es macht sehr viel Spass und ich habe so die Moeglichkeit weitere Musikbegeisterte (teilweise auch in meinem Alter) kennenzulernen.

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